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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 15.1924

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Walden, Herwarth: Deutsche Meisterehrung
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https://doi.org/10.11588/diglit.47214#0131

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DER STURM/DRITTES VIERTELJAHRHEFT

bildliche Feierlichkeit als atmosphärischen Kontrapunkt sozusagen.“ Warum nur so-
zusagen dieser Lärm, wenn man doch ohne Lärm so passabel unter sich ist. Nur
die kühnstolze Anwesenheit des kleinen Ichs (München) hat sozusagen den atmo-
sphärischen Kontrapunkt vorbildlich unterbrochen. Mit dem Kontrapunkt ist überhaupt
nicht zu spaßen. Er hat sich als atmosphärischer Druck auf das Münchener Minimum
gelegt, sodaß in der Zusammenwirkung mit den nicht bedeutungslosen Genüssen und
den wohligen Gesprächen erhebliche Depressionen nebst Graupelschauern entstehen
mußten. Daran hat wieder der Golfstrom schuld, der bei solchen Witterungsumlagen
immer großspurig herhalten muß. Atmosphäre hin, Kontrapunkt her, man möchte
sozusagen jetzt den Freund des Freundeskreises auch einschließen: „Und dort, dieser
ein wenig an Strand und Ufer erinnernden und — hat man Phantasie — sogar an
Ostseebilder fern anklingenden Einsamkeit im Rücken der Stadt, hat er seine Villa,
die repräsentative, ein wenig patriarchalische Villa von hanseatisch stolzer Haltung. —
Und ringsum sind Schneeflächen wie Skigelände — die das Haus des würdevoll
Einsamen zu schöpferischer Ruhe von der Aussenwelt abschließen würden, wenn nicht
alle vierzehn Tage der Magistrat Arbeitslose zum Ausschaufeln niedlicher Schneepfade
abkommandieren würde.“ Wo mag die Filia des vorbildlich gesättigten, würdevoll
Einsamen liegen? Ist’s Preußenland? Ist’s Schwabenland? Ist’s, wo am Belt die Möve
zieht? Ostseebilder mit Schneeflächen und Skigelände in hanseatischer Unterhaltung,
ein wenig patriarchalisch. Magistrate, die Arbeitslose zum niedlichen Schaufeln Augen
rechts hinkommandieren. Eine tolle Gegend. „Der Sommer aber öffnet die großen
Flügel im Arbeitszimmer des Meisters und der blühende, duftige, schattige, üppig
grüne Park spaziert mit der Vergnüglichkeit Pans und der frechen ganz unhanseatischen
Keckheit eines oberbayrischen Vorgebirg-Sommers bis zum Arbeitstisch des Meisters.“
Hier sollten Zigaretten stehen. Aber sie stehen schon. Durch den üppig grünen
Park, den blühenden, den duftigen, den schattigen, würde ich auf Bayern schließen,
wenn ich wüßte, wo der Herr Pan plötzlich herkommt. Es sei denn, daß er neuer-
dings beim dortigen Magistrat angestellt ist. Allerdings dürfte in Bayern ein Vor-
gebirgsommer nicht frech sein. So etwas liebt man dort nicht. Immerhin, der Sommer
öffnet persönlich die großen Flügel und der Meister ist teils durch die Arbeitslosen,
teils durch Herrn Pan an der Dichtkunst verhindert. Der Meister scheint etwas mit
der Hansa zu tun zu haben, die aber nicht mit Frau Katja zu verwechseln ist. Jetzt
heißt es, nicht nur den Hut abzunehmen, jetzt heißt es, die Schuhe oder Stiefel aus-
zuziehen, nun sind wir auf geheiligtem Parkettboden: „Wenn sich in diesem historischen
Raum, der die Geburt der „Unpolitischen Betrachtungen“ wie des „Todes in Venedig“
mit ansah, jemand über das Hereinwachsen der Natur freut, so der Ludwig von Hoffmann

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