ohne Gedanken, weil er nämlich im Leben
von dem ganzen Sprechen nur den Schrei
hört. Also auch hier liegt keine Kunst
des Schauspielers vor. Und der Dichter
schiesst bekanntlich ins Leere. Bei Jushny
wird nicht geschrieen und nicht ge-
schossen. Die drei Körper auf der Bühne
singen. Die Wirkung besteht nur in der
Dynamik der Töne zueinander. Musika-
lische unkünstlerische Leute entschuldigen
ihr künstlerisches Standesbewusstsein da-
mit, dass sie annehmen, Leierkasten-
männer seien eben keine Opernsänger.
Und wenn eben Leierkastenmänner Stimme
hätten, müssen sie zur Bühne gehen.
Woraus dann Opernsänger entstehen.
Oder Opernsängerinnen. Mit oder ohne
Entschuldigung, die Wirkung ist vor-
handen. Sie ist weder ethisch, noch
ästhetisch, noch natürlich. Sie ist künst-
lerisch. Die Kunst ist eben so einfach.
Sie braucht keine Apparate. Sie braucht
nur Gestaltungsvermögen des Sichtbaren
und des Hörbaren. Dieses Gestaltungs-
vermögen hat Jushny. Dieses Wesen des
Künstlerischen hat er erkannt. Und das
ergibt die absolute Wirkung, die auf
jeden wirkt. Ganz gleich, ob er falschen
künstlerischen Unterricht genossen hat
oder ob er sich noch nie den Kopf über
Sehen und Hören zerbrochen hat, was
für den Kopf und das Sehen und das
Hören besser ist. Der Kopf ist das Unglück
der Kulturmenschheit. Sie macht alles
ohne Hals über Kopf. Die Sinne sind für sie
nur eine Gelegenheit, über sie zu denken.
Ueber das Denken haben sie die Sinne
vergessen, die sich trotzdem erheblich
störend bemerkbar machen. Die Sinne
scheinen also doch einen Sinn zu haben.
Aber seit der Mensch auf zwei Beinen
steht, blickt er stolz und ernst in den
Himmel und stolpert. Stolpert sogar
über seine eigenen Beine. Es scheint
also etwas mit dem Sinn nicht in Ordnung
zu sein, wenn die Sinne so sehr in Un-
ordnung geraten. Man müsste vielleicht
doch die Sinne mehr beachten, um zum
Sinn zu kommen. Und wenn man die
Wesenheit der Sinne erkannt hat, erlebt
man den Sinn der Wesenheit. Und wenn
man den Sinn der Wesenheit erkannt
hat und ihn mit diesen Mitteln der Sinne
gestaltet, ist das Kunstwerk geschaffen.
Und weil wir statt des Spiels ein Beispiel
heute brauchen: hier ist ein Beispiel.
Der Blaue Vogel. Hier ist die Kunst
Erlebnis, weil das Erlebnis zur Kunst ge-
staltet ist. Hier ist die Stätte, wo mail
zum Sehen und Hören gezwungen ist.
Wo man Mensch ist.
Du blauer Vogel über der Erde.
Herwarth Walden
Das Mädchen, das allem Schauspielerischen entsagt, um
in der Scene „Leierkasten“ Trägerin des Künstlerischen
zu sein, heißt Valeri. H. W.
II Palo Telegrafico
Alto, dal piede incatramato,
s’erge il palo telegrafico
nella sepolcrale oscuritä notturna
ehe avviluppa il mondo.
E regge una fitta rete
di fili metallici
ehe a ogni colpo di vento,
suonano:
Zrin . . . zrin . . . tin . . . tin . . . ton . . .
tan . . . ten . . .
tan ...
Povero palo: tu reggi la candela,
anzi la personifichil
il filo a te attaccato
tramette appuntamenti,
abbracciamenti, baci . . .
e tu,
tutto Compunto ascolti
e tacil
Amato palo: tu äi pure la rivincita
Tu ascolti muto
il pettegolezzo e le chiacchere;
la miseria, la fame, la viltä
di colui die cosi trucemente
ti volle condannare,
di gleba ricoprendo
l’incatramato piede,
all’assoluta,
rigida immobilitä,
e gioisci, freni, disperi,
scotendo le vegetali fibrel
Alto, dal piede incatramato,
t’ergi nella notturna oscuritä
e a ogni colpo forte di vento:
in . . . ton . . . tin ... ten . . . tä.
Rodolfo Alcaro
39
von dem ganzen Sprechen nur den Schrei
hört. Also auch hier liegt keine Kunst
des Schauspielers vor. Und der Dichter
schiesst bekanntlich ins Leere. Bei Jushny
wird nicht geschrieen und nicht ge-
schossen. Die drei Körper auf der Bühne
singen. Die Wirkung besteht nur in der
Dynamik der Töne zueinander. Musika-
lische unkünstlerische Leute entschuldigen
ihr künstlerisches Standesbewusstsein da-
mit, dass sie annehmen, Leierkasten-
männer seien eben keine Opernsänger.
Und wenn eben Leierkastenmänner Stimme
hätten, müssen sie zur Bühne gehen.
Woraus dann Opernsänger entstehen.
Oder Opernsängerinnen. Mit oder ohne
Entschuldigung, die Wirkung ist vor-
handen. Sie ist weder ethisch, noch
ästhetisch, noch natürlich. Sie ist künst-
lerisch. Die Kunst ist eben so einfach.
Sie braucht keine Apparate. Sie braucht
nur Gestaltungsvermögen des Sichtbaren
und des Hörbaren. Dieses Gestaltungs-
vermögen hat Jushny. Dieses Wesen des
Künstlerischen hat er erkannt. Und das
ergibt die absolute Wirkung, die auf
jeden wirkt. Ganz gleich, ob er falschen
künstlerischen Unterricht genossen hat
oder ob er sich noch nie den Kopf über
Sehen und Hören zerbrochen hat, was
für den Kopf und das Sehen und das
Hören besser ist. Der Kopf ist das Unglück
der Kulturmenschheit. Sie macht alles
ohne Hals über Kopf. Die Sinne sind für sie
nur eine Gelegenheit, über sie zu denken.
Ueber das Denken haben sie die Sinne
vergessen, die sich trotzdem erheblich
störend bemerkbar machen. Die Sinne
scheinen also doch einen Sinn zu haben.
Aber seit der Mensch auf zwei Beinen
steht, blickt er stolz und ernst in den
Himmel und stolpert. Stolpert sogar
über seine eigenen Beine. Es scheint
also etwas mit dem Sinn nicht in Ordnung
zu sein, wenn die Sinne so sehr in Un-
ordnung geraten. Man müsste vielleicht
doch die Sinne mehr beachten, um zum
Sinn zu kommen. Und wenn man die
Wesenheit der Sinne erkannt hat, erlebt
man den Sinn der Wesenheit. Und wenn
man den Sinn der Wesenheit erkannt
hat und ihn mit diesen Mitteln der Sinne
gestaltet, ist das Kunstwerk geschaffen.
Und weil wir statt des Spiels ein Beispiel
heute brauchen: hier ist ein Beispiel.
Der Blaue Vogel. Hier ist die Kunst
Erlebnis, weil das Erlebnis zur Kunst ge-
staltet ist. Hier ist die Stätte, wo mail
zum Sehen und Hören gezwungen ist.
Wo man Mensch ist.
Du blauer Vogel über der Erde.
Herwarth Walden
Das Mädchen, das allem Schauspielerischen entsagt, um
in der Scene „Leierkasten“ Trägerin des Künstlerischen
zu sein, heißt Valeri. H. W.
II Palo Telegrafico
Alto, dal piede incatramato,
s’erge il palo telegrafico
nella sepolcrale oscuritä notturna
ehe avviluppa il mondo.
E regge una fitta rete
di fili metallici
ehe a ogni colpo di vento,
suonano:
Zrin . . . zrin . . . tin . . . tin . . . ton . . .
tan . . . ten . . .
tan ...
Povero palo: tu reggi la candela,
anzi la personifichil
il filo a te attaccato
tramette appuntamenti,
abbracciamenti, baci . . .
e tu,
tutto Compunto ascolti
e tacil
Amato palo: tu äi pure la rivincita
Tu ascolti muto
il pettegolezzo e le chiacchere;
la miseria, la fame, la viltä
di colui die cosi trucemente
ti volle condannare,
di gleba ricoprendo
l’incatramato piede,
all’assoluta,
rigida immobilitä,
e gioisci, freni, disperi,
scotendo le vegetali fibrel
Alto, dal piede incatramato,
t’ergi nella notturna oscuritä
e a ogni colpo forte di vento:
in . . . ton . . . tin ... ten . . . tä.
Rodolfo Alcaro
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