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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 15.1924

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Schwitters, Kurt: Automayers
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Hoffmann, Franz: Tropfgehänge
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https://doi.org/10.11588/diglit.47214#0026

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der Tür.“ — Jetzt ist sie empört: „Nein,
hinter der Tür!“ — „Nein, vor der
Tür!“ — „Nein, hinter der Tür!“ —
„Vor der Tür!“ — „Hinter der Tür!“
— „Vor der Tür!“ — „Hinter der Tür!“
— „Das Auto steht vor der Tür!“ —
„Das Auto steht hinter der Tür!“ —
„Also vor der Tür!“ — „Also hinter der
Tür!“ — „Meinetwegen hinter der Tür!“
— „In diesem Falle selbstverständlich
vor der Tür!“ — Pause, Schnurrbart-
drehen, Lockenzupfen, das Auto steht
gross da. Sie überlegt, wie sie den
Streit beenden kann, ohne nachzugeben.
Plötzlich fragt sie: „Wer steht vor der
Tür?“ — Er: „Hinter der Tür.“ — Pause.
— „Wer steht hinter der Tür?“ — Er:
„Vor der Tür.“ — Ihr platzt die Geduld.
„Schatz“, sagt sie, „ich glaube, ich
werde verrückt.“ — Er: „Nein, Du.“ —
Sie: „Ich glaube, Du wirst verrückt.“ —
Er: „Nein, ich.“ — Pause. Das Auto
steht gross da. Sie, verzweifelt, unter
Tränen: „Aber das Auto steht doch vor
der Tür.“ — Er: „Nein, hinter der Tür.“
— Sie: „Aber das Auto steht doch hinter
der Tür!“ — Er: „Nein, vor der Tür.“
— Sie, schluchzend: „Aber das Auto
wartet doch draussen!“ — Er: „Ruhig
warten lassen.“ Kurt Schwitters


Tropfgehänge
Erde heiss gesiedet
kräuselnde Feuer in Bäumen und Lüften
ein Mädchen
j ung-
braun
brennendes Haar
Mädchen glutender Lüste
Schilder des Nackens funkendes Sprühten
rasche sonnendunkle Tupfen
und ein Bänderfliessen
alles locker
alles voll
Bänderbogenrnuskel gestrafft
schlank
Knöchel Kelche
enggerafft
o schlanke weiche Springflut des Leibes
Tropf schale die Brust —
ich stehe
sehe
trinke
Durst
Lippe hängende Wolke schwül
Trinken

mein Blut begehrt
Dürsten wirft Falter hin
Beissen in schlanke Kelche
Beissen in lustende Nacken
Springquell Lust jachjäh empor —
o Durst
mich quält mein Blut
ich stehe
trinke
wanke
taumle ins Gartenbeet
auf rauscht weite Flucht roter Fingerhüte
auf rauschen glutenrote Dahlien
ein Tagpfauenauge
lustsonnenvoll
wirbelt auf und hin
ich gehe
rauschbezwungen
sommergesiedet
weibbetäubt
gehe
sehe
und stehe
alle Gefässe wirbeln empor
Sprüht unter Haar und Wimpern
Sprüht unter Sohle und Rippen
Scham
brennende
dass ich mein Blut nicht dämpfen kann
da schreitet das Schlanke
müde
dunkel gebannt
unter Tropfgehänge blutender Geranien —
weh
Tropfglanz meiner Lust zittert
fällt
mein Blut in den Geranien
o alle Lust
nichts
Scham brennt
und heiss der Sand knirscht unter meiner
Sohle
¥
Stengelhohe Geranien
blaue rote Blüten spreizen
Brünsten
Sonne heisse
lastet Wollust nieder
Blütenglieder öffnen
schliessen
trinken Glutenfluss —
weisse schlanke Mädchen gehn
Feuerblüten
Tropfgehänge
zwei schwere Dolden schaukeln
die schlanken Mädchen glutatmend stehn
offne schöne Krüge in den Gängen
und gehn

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