DER STURM/DRITTES VIERTELJAHRHEFT
Adolf Bauer-Saar
n hat mit voller Berechtigung- auf die Geistesverwandtschaft Adolf Bauer-Saars
mit mittelalterlicher Malerei, insonderheit mit der Kunst des Fenstermosaiks
hingewiesen. Man hat seine Aquarelle und farbigen Holzschnitte ebenso mit japanischer
Malerei verbunden sehen wollen. In beiden Hinweisen liegt das Richtige dicht neben
dem Grundfalschen. Wenn wir Mittelalter sagen, so meinen wir ausschließlich eine
ganz bestimmte geistige Einstellung. Ein Vergleich mit dem „Japanischen“ ist immer
nur als Funktion der technischen Mittel gemeint. Mit mittelalterlicher Kunst ist Bauer-
Saar innerlich und wesenhaft eben durch jenen Willen zur Ordnung des Weltganzen
tief verbunden. Mit dem japanischen Farbenholzschnitt teilt er kaum die gefällige
Anordnung der technischen Mittel. Sie besitzen alle Eigenschaften, die den Japan-
meistern der Spätzeit, an die jener Vergleich doch denkt, absichtsvoll fehlen und um
derentwillen sie den Goncourts, diesen letzten Menschen des ancien regime, so lieb
gewesen sein mögen: die fast bäurisch harte Bestimmtheit, die glückliche Vermeidung
alles Geschmacklichen und Raffinierten, die innere Größe und vor allem die rück-
sichtslose Verachtung jeder banalen Schönheit und melodiösen Feinheit. Äussere
Anklänge können nicht über den grundsätzlichen Unterschied hinwegtäuschen. Man
haftet an der Oberfläche und verkennt die wesentlichen Unterschiede eingeborener
Ordnung und willkürlicher Organisation, wenn man den farbigen Zusammenklang der
Flächen als japanisch ansieht. Japanische Farbenholzschnitte haben fast stets etwas
Kunstgewerbliches, und es liegt darin gerade ihr größter Reiz. Auch Bauer-Saar
besitzt eine ausgesprochene kunstgewerbliche Begabung, die sich in ausgezeichneten
Buchdrucken und Ornamentzeichnungen ausspricht. Zwischen hoher und dekorativer
Kunst in Bauer-Saars Arbeiten herrscht aber das gesunde Verhältnis, bei dem der
echte Künstler es nicht unter seiner Würde, sondern für seine Aufgabe erachtet, die
angewandte Kunst dem ominösen Bereiche des Gewerbes zu entwinden. Seine Bilder
sind davon völlig frei, so frei, daß die dekorativen Werte, die sie wohl mitumschließen,
die aber nicht ihr eigentümliches Zeichen sind, erst in zweiter Linie auffallen. Bauer-Saar
besitzt das Dekorative wie das Mittelalter, insofern seine Weltraumlandschaften aus jenem
„dekorativen“ Gefühl heraus entstehen, in dem auch die repräsentative Ideendarstellung
des Mittelalters verankert ist. An ihr ist nichts Zutat, sondern alles Wesenheit. Der erste
und entscheidende Eindruck ist nicht der einer wie immer zu bewertenden Dekoration,
sondern der einer ganz ursprünglichen Emanation des seelischen Zustandes.
Aus ihm empfängt das Prinzip, daß Bauer-Saars Schaffen bestimmt, sein Leben. Man
kann es nur mit dem Begriff der geistigen Ordnung kennzeichnen, die allerdings die
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Adolf Bauer-Saar
n hat mit voller Berechtigung- auf die Geistesverwandtschaft Adolf Bauer-Saars
mit mittelalterlicher Malerei, insonderheit mit der Kunst des Fenstermosaiks
hingewiesen. Man hat seine Aquarelle und farbigen Holzschnitte ebenso mit japanischer
Malerei verbunden sehen wollen. In beiden Hinweisen liegt das Richtige dicht neben
dem Grundfalschen. Wenn wir Mittelalter sagen, so meinen wir ausschließlich eine
ganz bestimmte geistige Einstellung. Ein Vergleich mit dem „Japanischen“ ist immer
nur als Funktion der technischen Mittel gemeint. Mit mittelalterlicher Kunst ist Bauer-
Saar innerlich und wesenhaft eben durch jenen Willen zur Ordnung des Weltganzen
tief verbunden. Mit dem japanischen Farbenholzschnitt teilt er kaum die gefällige
Anordnung der technischen Mittel. Sie besitzen alle Eigenschaften, die den Japan-
meistern der Spätzeit, an die jener Vergleich doch denkt, absichtsvoll fehlen und um
derentwillen sie den Goncourts, diesen letzten Menschen des ancien regime, so lieb
gewesen sein mögen: die fast bäurisch harte Bestimmtheit, die glückliche Vermeidung
alles Geschmacklichen und Raffinierten, die innere Größe und vor allem die rück-
sichtslose Verachtung jeder banalen Schönheit und melodiösen Feinheit. Äussere
Anklänge können nicht über den grundsätzlichen Unterschied hinwegtäuschen. Man
haftet an der Oberfläche und verkennt die wesentlichen Unterschiede eingeborener
Ordnung und willkürlicher Organisation, wenn man den farbigen Zusammenklang der
Flächen als japanisch ansieht. Japanische Farbenholzschnitte haben fast stets etwas
Kunstgewerbliches, und es liegt darin gerade ihr größter Reiz. Auch Bauer-Saar
besitzt eine ausgesprochene kunstgewerbliche Begabung, die sich in ausgezeichneten
Buchdrucken und Ornamentzeichnungen ausspricht. Zwischen hoher und dekorativer
Kunst in Bauer-Saars Arbeiten herrscht aber das gesunde Verhältnis, bei dem der
echte Künstler es nicht unter seiner Würde, sondern für seine Aufgabe erachtet, die
angewandte Kunst dem ominösen Bereiche des Gewerbes zu entwinden. Seine Bilder
sind davon völlig frei, so frei, daß die dekorativen Werte, die sie wohl mitumschließen,
die aber nicht ihr eigentümliches Zeichen sind, erst in zweiter Linie auffallen. Bauer-Saar
besitzt das Dekorative wie das Mittelalter, insofern seine Weltraumlandschaften aus jenem
„dekorativen“ Gefühl heraus entstehen, in dem auch die repräsentative Ideendarstellung
des Mittelalters verankert ist. An ihr ist nichts Zutat, sondern alles Wesenheit. Der erste
und entscheidende Eindruck ist nicht der einer wie immer zu bewertenden Dekoration,
sondern der einer ganz ursprünglichen Emanation des seelischen Zustandes.
Aus ihm empfängt das Prinzip, daß Bauer-Saars Schaffen bestimmt, sein Leben. Man
kann es nur mit dem Begriff der geistigen Ordnung kennzeichnen, die allerdings die
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