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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 15.1924

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Seuphor, Michel: Die jüngste Literatur in Flandern
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Seuphor, Michel: Te Parijs in Trombe
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https://doi.org/10.11588/diglit.47214#0014

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nicht geringeren, kulturkräftigeren Vorteil
brachte uns die holländische Presse, durch
welche die all zu reizenden PariserZeitungen
ersetzt wurden. — Flamingant und Kom-
munist waren sinnverwandt unter dem
,,schwarzen Löwen auf gelbem Feld“ —
Dichter und andere Genialitäten wurden
auf den Strassen aus den Rinnen ge-
schöpft.
Aber es kam ein Ende der , .guten Kriegs-
zeit“: viele Flaminganten flüchteten nach
Holland, wo die meisten noch heute mit
Mühe ihr Brot verdienen und wo das *
belgische ,,Gericht“ sie noch in der Ver-
bannung hält. Viele andere wurden ins
Gefängnis geworfen. Da schrieb Wies Moens
seinen sentimentalen ,,Celbrieven“ und
seine ersten, mit Beifall aufgenommenen
expressionistischen Gedichtsammlungen:
,,De Tocht“ und ,,De Boodschap“. —
Indessen lehrten uns die wieder geöffneten
Südgrenzen die neuesten Strömungen aus
Paris kennen, und allmählich fing das
antwerpensche Hafenleben seine gewohnte
Geschäftigkeit wieder an. — Mehr noch
als vor dem Krieg schien Antwerpen mit
seinen zahlreichen Kinos, Bars, Dancings
und Cafes sich der Fortsetzung der
Breughel- und Uilenspiegel-Tradition zu
befleissigen. Aber auch der ,,Struggle for
Life“ wurde lästiger. Und besonders aus
diesem Grunde kam die grosse Läuterung
in die Dichterschar der Kriegszeit.
Ganz vortrefflich war dann die Initiative
von Eugen de BockJ), der um seine
Zeitschrift ,,Ruimte“ eine Reihe radi-
kaler Maler, Dichter und Kritiker zu
sammeln undeinemauserwähltenPublikum
eine gesunde neue Arbeit geniessbar zu
machen wusste.
In ,,Ruimte“ gruppierten sich: Marnix
Gijsen, Wies Moens, Gaston Burssens, Jan
und Jozef Cantre, Prosper de Troyer, Jos
Leonard, Jozef Peetors, Paul van Ostoy en,
Karel Maes, Victor J. Brunclair. — Aber
,,Ruimte“ ging nach zwei Jahrgängen
(1920 und 1921) zu Grunde, und was von
ihrer Gruppe übrig blieb, konnte sich fortan
in ,,Vlaamsche Arbeid“ äussern, einer
allgemeinen Monatsschrift, geleitet von
Jozef Muis (einer Revue, die schon lange
vor dem Krieg bestand, doch seit ihrem
Wiedererscheinen [1921] auch der Moderne
Raum widmet) — und in ,,Het Over-
zieht“ 3) begründet von dem Verfasser
1) Direktor des Kunstverlags „De Sikkel“, Antwerpen
2) Die heutige internationale Avant-garde-Zeit schritt von Flandern

dieses Berichts und von ihm und Jozef
Peeters geleitet.
Aber auch die Gruppe der ,,Ruimte“ wurde
derartig geläutert, dass wir, der Zeit ent-
gegensehend, bestätigen können, dass es
sich nur noch um den katholischen Dichter
Wies Moens handelt, der nach seiner
Befreiung noch zwei Sammlungen, ,,Op-
gangen“ und ,,Landing“ herausgab,
Paulvan Ostoyen (,,Music-Halls“, ,,Het
Sinjaal“ und das nach dem Kriege in
Deutschland geschriebene lange typo-
graphische Gedicht von den Kriegsjahren
zu Antwerpen: ,,Bezette Stad“), und
M. Seuphor, von dem Übersetzungen im
Sturm erschienen.
Besonders Paul van Ostayen, das muss
hier betont werden, kommt die Ehre zu,
die moderne Kunst in Flandern eingeführt
zu haben und zwar mit einem heftig
kritisierten, aber belangreichen Werk über
flämische Literatur.
Fernant Berckelaers
Übertragen von Werner (ieer/s

Te Parijs in Trombe
Antwerpens sicherer Hafen
Es ist ein grosser Fliederbaum im Garten..
Muguet riecht freundlich meint das Dienst-
mädchen .
Die Sonne improvisiert eine Sonate
auf der Mauer wo sich der Weingarten
befindet
und das ewige Orgelliedchen des Kaffees
aus der Gegend
tanzt nonchalant durch die irre Atmosphäre.
Der Hund leckt die Hand des doppelten
Kindes.
Nun schaukelt das Kind toternst auf
seinem hölzernen Pferd.
Nachher kommen die andern Kinder aus
der Schule
(Luft der Schule, vollkommen und inirige
Luft der Straße voll Begeisterungen und
Sehnsüchte)
sie beschmutzen den marmornen Gang
des schönen Rentners Haufc
ihr junges Lachen hallt durch das Treppen-
haus
die unverteidigte Festung wird spielend
eingenommen
und es kracht etwas unter dem Scheitel
des alten Mannes.
Ja Dermee die Häuser sind weiss
in den Städten von Flandern
 
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