Gedichte
Ein Kind
Das Weinen ist dein Lied in dunkler
Kammer
Beten und Fasten hüten deine Wiege
wiegen wiegen
Keusch breitet Demut helle Flügel aus
Du schaust die Nacht
Traumschwer bebt die Erde
Das Bad des Mondes übergiesst dich mild
Du lächelst in die Nacht
Deine Hände greifen den Mond
Eine gläserne Kugel fällt aus der Hand
der Mutter
Die Tränen tropfen tropfen
Der Himmel weht herab
Das Mädchen in der Welt
Der Sturm g*eht über dich
Aus dem Abgrund des Menschen bläst
der Sturm
Durch alle Wände bläst der Sturm
Die Menschen fallen
Die Frommen hocken im Gebet
Die Bösen tanzen
Die Schenkel der Bösen sind mit Blumen
bekränzt
Die Augen der Frommen weinen
Die Steine rollen
Eis fällt vom Mond
Die Sterne zerbröckeln Staub
Sand fegt die Blätter herab
Die entlaubten Bäume stehen in der
Schärfe des grimmen Hauches
Die Lippen kräuseln sich bitter über dem
Wort
Ein Seufzen steigt aus einem armen Herz
Ein Lichtlein sinkt in tiefe Tiefe
In tiefer Tiefe glimmt es auf
Durch Sturm und Härte gehst du still
und mild
Die Tiefe sieht das Licht in deiner Brust
Die Tiefe sieht den Glanz auf deiner Stirn
Das Lächeln der Welt schwingt zärtlich
entgegen dir
Der kleine Hirte
Der kleine Hirte hütet des Vaters Herde
Die Lämmer weiden am Wiesenhang
Die Wolken gehen darüber hin
Sonne und Regen gehen dahin
Der Abend kommt und der Morgen kommt
Die Röte entbrennt auf fernem Gipfel
Das Lamm schläft an deiner Brust
Der Sohn des Menschen wandelt zwischen
den Tieren
Aufgeht über dem Feld der Stern
Die himmlischen Hirten umstehen das Lager
und singen
Nicht hören die Menschen in ihren Häusern
Du trägst das Lämmlein durch die finstre
Schlucht
In deinen Händen trägst du dein Licht
Der schmale Steg zerbricht und du fällst
nicht
Und deine kleine Herde weidet auf hoher
Halde still
Aus der Finsternis
In Banden liegt der Bote des Herrn
Lebendig begraben ist der gefallene Stern
Den Schlund der Erde füllt sein Leib
Die Erde hockt auf seiner Brust
Sein goldenes Herz
glüht im Feuer der
Tiefe
Die Menschen flattern ins Feuer der Tiefe
Die Schätze der Welt quellen aus der
erstarrten Hand
Du siehst das Licht der Nacht
Das Auge sieht dich an
Der Mond ist eine kalte Träne
Der Blick der sterbenden Mutter sieht
* dich an
Da schreist du dass die Träne fällt
Da schreist du dass die Mutter stirbt
Da schreist du dass die Hölle singt
Und dein Erbarmen bebt im Herz des
Lichts
Blut fliesst aus deiner Brust
Und du gehst zu den Menschen
Lothar Schreyer
TRAN 35
Dada ist eine Hypothese
Motto: I think the world’s mena-
gerie the greatest kind of show, that
any one could wish to see whereever
they may go, t’will be a pleasant
task to me to introduce to you the
different sorts of animals you’ll find
are here on view. First come, first
served.
Gelegentlich des Jahreswechsels 1923 reisst
Tmir endlich der bekannte Faden der Ge-
duld. Ich hänge nun nicht mehr wie eine
Spinne am Faden, sondern fädele ein und
spinne mit Tinte. Wie oft habe ich meine
Erkenntnisse wohl schon in die Welt po-
saunt, wie oft habe ich die Kritik kritisch
betrachtet, ohne dass man mir am Neu-
jahrstage Kränze eingefädelt hätte. Warum
schreiben eigentlich die Zeitungen immer
noch nicht: „Merz ist der Konstruktivis-
Ein Kind
Das Weinen ist dein Lied in dunkler
Kammer
Beten und Fasten hüten deine Wiege
wiegen wiegen
Keusch breitet Demut helle Flügel aus
Du schaust die Nacht
Traumschwer bebt die Erde
Das Bad des Mondes übergiesst dich mild
Du lächelst in die Nacht
Deine Hände greifen den Mond
Eine gläserne Kugel fällt aus der Hand
der Mutter
Die Tränen tropfen tropfen
Der Himmel weht herab
Das Mädchen in der Welt
Der Sturm g*eht über dich
Aus dem Abgrund des Menschen bläst
der Sturm
Durch alle Wände bläst der Sturm
Die Menschen fallen
Die Frommen hocken im Gebet
Die Bösen tanzen
Die Schenkel der Bösen sind mit Blumen
bekränzt
Die Augen der Frommen weinen
Die Steine rollen
Eis fällt vom Mond
Die Sterne zerbröckeln Staub
Sand fegt die Blätter herab
Die entlaubten Bäume stehen in der
Schärfe des grimmen Hauches
Die Lippen kräuseln sich bitter über dem
Wort
Ein Seufzen steigt aus einem armen Herz
Ein Lichtlein sinkt in tiefe Tiefe
In tiefer Tiefe glimmt es auf
Durch Sturm und Härte gehst du still
und mild
Die Tiefe sieht das Licht in deiner Brust
Die Tiefe sieht den Glanz auf deiner Stirn
Das Lächeln der Welt schwingt zärtlich
entgegen dir
Der kleine Hirte
Der kleine Hirte hütet des Vaters Herde
Die Lämmer weiden am Wiesenhang
Die Wolken gehen darüber hin
Sonne und Regen gehen dahin
Der Abend kommt und der Morgen kommt
Die Röte entbrennt auf fernem Gipfel
Das Lamm schläft an deiner Brust
Der Sohn des Menschen wandelt zwischen
den Tieren
Aufgeht über dem Feld der Stern
Die himmlischen Hirten umstehen das Lager
und singen
Nicht hören die Menschen in ihren Häusern
Du trägst das Lämmlein durch die finstre
Schlucht
In deinen Händen trägst du dein Licht
Der schmale Steg zerbricht und du fällst
nicht
Und deine kleine Herde weidet auf hoher
Halde still
Aus der Finsternis
In Banden liegt der Bote des Herrn
Lebendig begraben ist der gefallene Stern
Den Schlund der Erde füllt sein Leib
Die Erde hockt auf seiner Brust
Sein goldenes Herz
glüht im Feuer der
Tiefe
Die Menschen flattern ins Feuer der Tiefe
Die Schätze der Welt quellen aus der
erstarrten Hand
Du siehst das Licht der Nacht
Das Auge sieht dich an
Der Mond ist eine kalte Träne
Der Blick der sterbenden Mutter sieht
* dich an
Da schreist du dass die Träne fällt
Da schreist du dass die Mutter stirbt
Da schreist du dass die Hölle singt
Und dein Erbarmen bebt im Herz des
Lichts
Blut fliesst aus deiner Brust
Und du gehst zu den Menschen
Lothar Schreyer
TRAN 35
Dada ist eine Hypothese
Motto: I think the world’s mena-
gerie the greatest kind of show, that
any one could wish to see whereever
they may go, t’will be a pleasant
task to me to introduce to you the
different sorts of animals you’ll find
are here on view. First come, first
served.
Gelegentlich des Jahreswechsels 1923 reisst
Tmir endlich der bekannte Faden der Ge-
duld. Ich hänge nun nicht mehr wie eine
Spinne am Faden, sondern fädele ein und
spinne mit Tinte. Wie oft habe ich meine
Erkenntnisse wohl schon in die Welt po-
saunt, wie oft habe ich die Kritik kritisch
betrachtet, ohne dass man mir am Neu-
jahrstage Kränze eingefädelt hätte. Warum
schreiben eigentlich die Zeitungen immer
noch nicht: „Merz ist der Konstruktivis-