Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 15.1924
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https://doi.org/10.11588/diglit.47214#0095
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Nádass, Josef: Strassenbahn 58
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DER STURM z ZWEITES VIERTELJAHRHEFT
Strassenbahn 58
Mit dem 58-er Wagen fahre ich zu meiner Geliebten, die zwischen Gärten wohnt.
Weit laufen die Schienen von dort weg und der Regen singt sein langes Lied.
Ich gehe unter seinem Kleid, ich höre zu, er hört zu, nie hat er noch meine
Hand angenommen.
Der Regen wohnt jenseits der Berge.
Menschen haben die Häuser gebaut, 25 statistische Aemter wissen wie oft
du gegähnt hast,
Teppiche werden geknüpft, immer neue und neue Schuhmoden sieht man
in den Auslagen,
die Malerin hat schöne Arme, in den grossen Bädern liegen Leiber unter
der Sonne.
Der Staatsanwalt steht auf, die Zuhörer summen.
Was soll ich Euch sagen, ich habe meine Hände gefaltet, meine Augen
sind noch immer nicht blind,
Aber ich sitze auf einer Ottomane und die Steuer habe ich noch nicht bezahlt,
Nur eines vergesst nicht, er war 33 Jahre alt und wurde gehenkt.
Draussen regnet’s.
Josef Nädass
85
Strassenbahn 58
Mit dem 58-er Wagen fahre ich zu meiner Geliebten, die zwischen Gärten wohnt.
Weit laufen die Schienen von dort weg und der Regen singt sein langes Lied.
Ich gehe unter seinem Kleid, ich höre zu, er hört zu, nie hat er noch meine
Hand angenommen.
Der Regen wohnt jenseits der Berge.
Menschen haben die Häuser gebaut, 25 statistische Aemter wissen wie oft
du gegähnt hast,
Teppiche werden geknüpft, immer neue und neue Schuhmoden sieht man
in den Auslagen,
die Malerin hat schöne Arme, in den grossen Bädern liegen Leiber unter
der Sonne.
Der Staatsanwalt steht auf, die Zuhörer summen.
Was soll ich Euch sagen, ich habe meine Hände gefaltet, meine Augen
sind noch immer nicht blind,
Aber ich sitze auf einer Ottomane und die Steuer habe ich noch nicht bezahlt,
Nur eines vergesst nicht, er war 33 Jahre alt und wurde gehenkt.
Draussen regnet’s.
Josef Nädass
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