DER STURM / VIERTES VIERTELJAHRHEFT
FAMILIE HAHNEPETER II:
Der Paradiesvogel«
Auf der Fensterbank wuchs unter vielen Blumen und Stachelgewächsen, die
Hahnemann gehörten, auch eine Blume, die so groß wie ein Teller war. Unter
diese Blume legte Hahnemann sein Hahnepeterei und pflegte es, und da senkte
die Blume ihren Kopf, der so groß war, wie ein Teller und deckte damit das
Ei zu.
Hahnemann dachte zuerst, die Blume wollte das Ei fressen, aber die Blume fraß
das Ei nicht sondern brütete es aus, mit ihrem lieben Angesicht. Und plötzlich
kam ein richtiger Paradiesvogel aus dem Ei gekrochen, der der Blume sehr
ähnlich war und so aussah, als ob er immer zwischen Palmen und Stachelpflanzen
gelebt hätte. Der Paradiesvogel war sehr bunt und hatte schrecklich lange Federn
am Schwanz, sodaß er garnicht auf der Erde sitzen konnte. Der flog nun immer
im Zimmer herum und wurde sehr zutraulich, fraß Hahnemann aus der Hand,
und überhaupt, und ging sogar mit Hahnemann spazieren, und die Kinder freuten
sich, wenn er neben ihm flog. Aber eines Tages kam der Paradiesvogel nicht
wieder nachhause, sondern flog weit übers Meer, bis nach einer kleinen Insel, wo
noch nie ein lebender Mensch vorher gewesen war, außer Adam und Eva, direkt
ins Paradies und setzte sich da in der Mitte auf einem Apfelbaum. Aber Hahne-
mann wußte das ja garnicht und war sehr traurig, daß der Paradiesvogel nun
fort war. Und weil er seinen Paradiesvogel sehr entbehrte, wollte er sich einen
neuen Paradiesvogel bauen, denn Eier vom Hahnepeter hatte er nun nicht mehr.
Und die große Blume, die so hell war, wie ein Katzenauge in der Nacht, war
auch schon so lange verwelkt. Darum nahm Hahnemann zwei Stäbe, nagelte sie
wie ein Kreuz zusammen und überklebte dieses mit buntem Papier wie einen
Drachen. Hinten hängte er einen Schweif dran, einen Drachenschwanz, der
ebenso bunt war, wie der Paradiesvogel. Nun ging er wieder hinaus und ließ
seinen Drachen fliegen; und wie der Drachen ganz hochgestiegen war, da zog er
Hahnemann mit in die Luft, erst über die Häuser, und Hahnemann konnte in alle
Schornsteine hineinsehen und sah, was die Leute kochten, dann immer höher
und höher über die höchsten Berge, und dann immer weiter, quer über das
Meer, und Hahnemann sah viele Schiffe mit großen Segeln und schwarzen
Schornsteinen, und dabei wurde es langsam immer wärmer. Und bei der Wärme
senkte sich der Drachen wieder, und Hahnemann schleifte ganz dicht über dem
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FAMILIE HAHNEPETER II:
Der Paradiesvogel«
Auf der Fensterbank wuchs unter vielen Blumen und Stachelgewächsen, die
Hahnemann gehörten, auch eine Blume, die so groß wie ein Teller war. Unter
diese Blume legte Hahnemann sein Hahnepeterei und pflegte es, und da senkte
die Blume ihren Kopf, der so groß war, wie ein Teller und deckte damit das
Ei zu.
Hahnemann dachte zuerst, die Blume wollte das Ei fressen, aber die Blume fraß
das Ei nicht sondern brütete es aus, mit ihrem lieben Angesicht. Und plötzlich
kam ein richtiger Paradiesvogel aus dem Ei gekrochen, der der Blume sehr
ähnlich war und so aussah, als ob er immer zwischen Palmen und Stachelpflanzen
gelebt hätte. Der Paradiesvogel war sehr bunt und hatte schrecklich lange Federn
am Schwanz, sodaß er garnicht auf der Erde sitzen konnte. Der flog nun immer
im Zimmer herum und wurde sehr zutraulich, fraß Hahnemann aus der Hand,
und überhaupt, und ging sogar mit Hahnemann spazieren, und die Kinder freuten
sich, wenn er neben ihm flog. Aber eines Tages kam der Paradiesvogel nicht
wieder nachhause, sondern flog weit übers Meer, bis nach einer kleinen Insel, wo
noch nie ein lebender Mensch vorher gewesen war, außer Adam und Eva, direkt
ins Paradies und setzte sich da in der Mitte auf einem Apfelbaum. Aber Hahne-
mann wußte das ja garnicht und war sehr traurig, daß der Paradiesvogel nun
fort war. Und weil er seinen Paradiesvogel sehr entbehrte, wollte er sich einen
neuen Paradiesvogel bauen, denn Eier vom Hahnepeter hatte er nun nicht mehr.
Und die große Blume, die so hell war, wie ein Katzenauge in der Nacht, war
auch schon so lange verwelkt. Darum nahm Hahnemann zwei Stäbe, nagelte sie
wie ein Kreuz zusammen und überklebte dieses mit buntem Papier wie einen
Drachen. Hinten hängte er einen Schweif dran, einen Drachenschwanz, der
ebenso bunt war, wie der Paradiesvogel. Nun ging er wieder hinaus und ließ
seinen Drachen fliegen; und wie der Drachen ganz hochgestiegen war, da zog er
Hahnemann mit in die Luft, erst über die Häuser, und Hahnemann konnte in alle
Schornsteine hineinsehen und sah, was die Leute kochten, dann immer höher
und höher über die höchsten Berge, und dann immer weiter, quer über das
Meer, und Hahnemann sah viele Schiffe mit großen Segeln und schwarzen
Schornsteinen, und dabei wurde es langsam immer wärmer. Und bei der Wärme
senkte sich der Drachen wieder, und Hahnemann schleifte ganz dicht über dem
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