DERSTURM
HERAUSGEBER: HERWARTH WALDEN
FÜNFZEHNTER JAHRGANG / MONATSBERICHT / MÄRZ 1924
Ver-Ordnung an meine Beamten
Ihr Herren allein könnt mich kurieren;
ich bin krank mit meinem Volke, und
das ist krank durch eure unnütze Weit-
läuftigkeit; ihr kostet dem Menscben-
geschlachte mehr Zeit auf Erden, als die
Ewigkeit einst einbringen kann. Ein
Groschen Gewinn ist wenig wert, wenn
er mit einem Taler erkauft wird. Ich
verbiete euch, im nächsten Jahre bei
Lebensstrafe die Feder anzurühren, damit
nicht aller euer Witz auf dem Papiere
bleibt. Was habt ihr mit euren un-
zähligen Befehlen ausgerichtet? Das
Papier ist teuer geworden, mein Land
eine Wüste, und die Länder meiner
Nachbarn sind Gärten. Statt Federn zu
schneiden, okuliert Fruchtbäume; ihr
habt viele Raupen im Kopfe, nehmt sie
einander zur rechten Zeit aus. Lernt erst
den Takt, ehe die Menschen nach Eurer
Pfeife tanzen sollen; tut lieber garnichts,
als etwas Kluges zur Unzeit, und wenn
ihr wollt Flaumfedern durch ein Schlüssel-
loch blasen, so wartet ab, dass kein
Wind gehe als der eure. Höret und
sehet! Um dies eine bitte ich euch, die
Geschichte ist keine Rechenmaschine, und
was vorbei ist, lässt sich nicht mehr
monieren, noch weniger ausradieren.
Hütet euch vor aller Schulphilosophie,
die wird nimmermehr schön und nur
selten reif; denkt auch nicht, dass eure
Gedanken sich mit dem Protokoll schliessen
müssen. Seht weiter, als eure Nasen
reichen, und steckt sie darum nicht in
Dinge, die euch nichts angehen. Heimlich
ist aller Anfang und unbewusst das Ende;
darum stört nichts, wo ihr nichts schaffen
könnt. Kontrolliert nicht ehrliche Leute;
die Spitzbuben lassen sich nicht kon-
trollieren. Nagt niemals aus Müssiggang
an wohlerworbenen Rechten und über-
zeugt euch, dass die Vorzeit verständig
war, und dass ihr auch denken müsst.
Der Segen des Himmels wird nicht an
den Meistbietenden, sondern an den
Mindestfordernden überlassen, darum
fordert nie zuviel auf einmal von den
Leuten, sondern jedesmal das Rechte.
Versucht nur vier Wochen die Einrich-
tungen an euch selbst, die ihr so vielen
Tausenden für die Ewigkeit gebt, und
ihr werdet erfahren, ob mehr dabei heraus-
als hereinkommt! Rudolf Blümner
Eugenie Schwarzwald
In das erstarrte Leben bringt die Hand
dieser Frau Bewegung. Es ist nicht die
Hand der Mutter, die mahnend streichelt
und sich aufgibt, weil sie sich wieder-
findet. Es ist nicht die Hand der
Schwester, die Vertrautes mitteilt, um
Mitteilungen zu vertrauen. Es ist nicht
die Hand der Frau, die gibt, um zu
fordern und die fordert, um zu geben.
Es ist die Hand der Geliebten, die sich
um Schönheit sorgt, auf dass die Sorge
Schönheit sei. Aus Wohltätigkeit wird
Wohltat. Aus Wohl Tat. Die Tat geschieht
wegen der Tat. Und weil sie nur wegen
der Tat geschieht, tut sie wohl.
Idealisten und namentlich idealistische
Politiker nehmen es übel, wenn nicht
alles geschieht. Deshalb tun sie nichts.
Andere Menschen wieder haben weniger
Ideale. Wenn viele Menschen nichts zu
essen haben, finden sie es praktischer,
wenn auch weniger idealistisch, ihnen
Essen zu geben. Da dieses Problem durch
die Revolution nicht gelöst ist, versuchen
sie, es durch ,die Küche zu lösen. Und
es geschieht das Wunder, das Essen ist
da. Das Finanzproblem wird gleichfalls
ganz einfach gelöst. Wer kein Geld hat,
braucht nicht zu zahlen. Eine Anleihe
wird nur beim Sozialismus aufgenommen.
Man schaltet den Zwischengewinn und
HERAUSGEBER: HERWARTH WALDEN
FÜNFZEHNTER JAHRGANG / MONATSBERICHT / MÄRZ 1924
Ver-Ordnung an meine Beamten
Ihr Herren allein könnt mich kurieren;
ich bin krank mit meinem Volke, und
das ist krank durch eure unnütze Weit-
läuftigkeit; ihr kostet dem Menscben-
geschlachte mehr Zeit auf Erden, als die
Ewigkeit einst einbringen kann. Ein
Groschen Gewinn ist wenig wert, wenn
er mit einem Taler erkauft wird. Ich
verbiete euch, im nächsten Jahre bei
Lebensstrafe die Feder anzurühren, damit
nicht aller euer Witz auf dem Papiere
bleibt. Was habt ihr mit euren un-
zähligen Befehlen ausgerichtet? Das
Papier ist teuer geworden, mein Land
eine Wüste, und die Länder meiner
Nachbarn sind Gärten. Statt Federn zu
schneiden, okuliert Fruchtbäume; ihr
habt viele Raupen im Kopfe, nehmt sie
einander zur rechten Zeit aus. Lernt erst
den Takt, ehe die Menschen nach Eurer
Pfeife tanzen sollen; tut lieber garnichts,
als etwas Kluges zur Unzeit, und wenn
ihr wollt Flaumfedern durch ein Schlüssel-
loch blasen, so wartet ab, dass kein
Wind gehe als der eure. Höret und
sehet! Um dies eine bitte ich euch, die
Geschichte ist keine Rechenmaschine, und
was vorbei ist, lässt sich nicht mehr
monieren, noch weniger ausradieren.
Hütet euch vor aller Schulphilosophie,
die wird nimmermehr schön und nur
selten reif; denkt auch nicht, dass eure
Gedanken sich mit dem Protokoll schliessen
müssen. Seht weiter, als eure Nasen
reichen, und steckt sie darum nicht in
Dinge, die euch nichts angehen. Heimlich
ist aller Anfang und unbewusst das Ende;
darum stört nichts, wo ihr nichts schaffen
könnt. Kontrolliert nicht ehrliche Leute;
die Spitzbuben lassen sich nicht kon-
trollieren. Nagt niemals aus Müssiggang
an wohlerworbenen Rechten und über-
zeugt euch, dass die Vorzeit verständig
war, und dass ihr auch denken müsst.
Der Segen des Himmels wird nicht an
den Meistbietenden, sondern an den
Mindestfordernden überlassen, darum
fordert nie zuviel auf einmal von den
Leuten, sondern jedesmal das Rechte.
Versucht nur vier Wochen die Einrich-
tungen an euch selbst, die ihr so vielen
Tausenden für die Ewigkeit gebt, und
ihr werdet erfahren, ob mehr dabei heraus-
als hereinkommt! Rudolf Blümner
Eugenie Schwarzwald
In das erstarrte Leben bringt die Hand
dieser Frau Bewegung. Es ist nicht die
Hand der Mutter, die mahnend streichelt
und sich aufgibt, weil sie sich wieder-
findet. Es ist nicht die Hand der
Schwester, die Vertrautes mitteilt, um
Mitteilungen zu vertrauen. Es ist nicht
die Hand der Frau, die gibt, um zu
fordern und die fordert, um zu geben.
Es ist die Hand der Geliebten, die sich
um Schönheit sorgt, auf dass die Sorge
Schönheit sei. Aus Wohltätigkeit wird
Wohltat. Aus Wohl Tat. Die Tat geschieht
wegen der Tat. Und weil sie nur wegen
der Tat geschieht, tut sie wohl.
Idealisten und namentlich idealistische
Politiker nehmen es übel, wenn nicht
alles geschieht. Deshalb tun sie nichts.
Andere Menschen wieder haben weniger
Ideale. Wenn viele Menschen nichts zu
essen haben, finden sie es praktischer,
wenn auch weniger idealistisch, ihnen
Essen zu geben. Da dieses Problem durch
die Revolution nicht gelöst ist, versuchen
sie, es durch ,die Küche zu lösen. Und
es geschieht das Wunder, das Essen ist
da. Das Finanzproblem wird gleichfalls
ganz einfach gelöst. Wer kein Geld hat,
braucht nicht zu zahlen. Eine Anleihe
wird nur beim Sozialismus aufgenommen.
Man schaltet den Zwischengewinn und