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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 15.1924

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Heynicke, Kurt: Gedichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.47214#0034

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gestorben der Geister Gesang im
Gewoge der Lüfte
wechselnd das Licht und die Finsternis
die ewigen Schritte des Alls um sich selber
in einem hinauf und hinab durch die
Schluchten des Leidens
weit hinter der flüchtenden Ferse der
Garten der Liebe
die Wege der Freundschaft zeithin
verschüttet
Schmerz ist die Welt
eintag und austag.
Hoch reiss ich von neuem den Becher
des Daseins"
flieg mit den Fittich der Hoffnung
gen Anfang
fühle mich Spiel im Lufthauch der Gottheit
ein schreitender Tanz im Gewitter bin ich
oh Erde geliebte im dunkelsten Tal!
Fallen im Herbstjahr vom Himmel
• die Sterne
weinen die Götter
lächeln die Menschen
es ahnen die Welten ihr stummes
Geheimnis
weinet
es einet die Träne den Mensch und
den Gott!
Winterliches Lied
Sehnsucht.
Es singt eine Harfe im Schnee.
Der Madonna Bild klagt am Föhrensteg
stumm versinkt der Forst im Winterrauch.
Einsam äugen die Rehe.
Die Krähe sticht scheu durch die
bangende Luft
Gott atmet am Hang
an seinem Herzen erfriert die Welt.
Gäb mir der Tod diesen Traum
gern unter weissem Fittich entschliefe
ich auch.
Wo die Himmel kühl sind
trinkt der Sterne Odem ein Gott
aber die Menschen erlöst nichts unter
den Wolken.
Sehnsucht.
Das ist das Lied unterm Schnee.
Sonnenwende
Gold überm Hügelschnee schläfert der Tag
soz ruhen im Schnee die ewigen
Frühlinge immer

stille mein Herz
bald bist du bereit.
Noch einmal kommen die Sterne vom
Abgrund herauf
und in die Hände der Nächte sinkt
alles und alles.
Glüht auch die Seele nach dem grossen
Gestirn
fröstelnd
weinen die Wipfel im Abendtann
lausche
im Dämmern rastet der Fluss nicht im Tal
und die Schollen singen wilder ihres
Todes Gesang
Südwind wandert herauf
auch zu dir.
Schwankender Zweig in gläsernen Lüften
* hinstirbt seines Winters verhaltener
Traum
liebliche Ahnung erlöset die Knospen
einst werden sie blühen am Berg.
Rings oh du Abend!
Stehen nicht Welten belaubt und erblüht.
Sonnenwendfeuer leuchten die Hügel
Glühe oh Seele
entbrenne dich mit!
Umflogen das Antlitz vom Abschied
der Sonne
wende dich, Haupt:
so grüss ich den ersten ragenden Stern.
Hoch aus verschneiten eisigen Gipfeln
tropft der Erlösung köstlicher Tau!
Alte Mädchen
Abwärts sinken die Hände
im Weh noch tasten sie zitternd das Herz
bald ist das Antlitz zerfallen,
ein Garten im Novemberwind.
Einmal noch blühen verschüchtert
die Wangen
ruht glücklich ein Kind an der Mutter
nährenden Brust
fällt im Waldgang ein Kuss zwischen
fremden Geliebten
all diese Welt ist ihr lange vorbei.
Abends im Zimmer der Einsamkeit
stumm hocken an den Wänden
glanzlos die Träume
wehrlos verrinnen die Augen im Dunkel.
Blätter gehen im Herbstwind so.
Kurt Heynicke

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