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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 15.1924

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Ehl, Heinrich: Adolf Bauer-Saar
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https://doi.org/10.11588/diglit.47214#0180
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DER STURM/DRITTES VIERTELJAHRHEFT
Zufall sein, daß der oberbayerische Bauer heute noch seine Masken zum Tanz an-
bindet und seine Heiligenlegende hinter Glas malt wie vor Hunderten von Jahren.
Etwas von dieser rassemäßigen Bauernmalerei steckt in den Werken Bauer-Saars.
Wie die frühe Malerei romanischer Miniaturen und Glasfenster kennt Bauer-Saar nur
die Lokalfarben Rot, Blau, Grün, Gelb, Schwarz und Weiß. Sie stehen nebeneinander
wie die ursächlichen Seelenzustände ihrer spiritualisierten Inhalte. Keine Modellierung,
kaum Schatten, nichts was malerische Feinheiten und Tüfteleien von Licht und Luft
angeht, es kommt ihm nur auf den Grund der Dinge und auf ihren unverhüllten
Ausdruck an. Dieses Universum von Farben, Flächen, Linien, von schicksalhaften
Bewegungen und klingenden Rhythmen ist systematisch aufgebaut wie eine musi-
kalische Fuge. Die Kraft dissonierender Farben selbst, die jede für sich ein
ungeteiltes Gefühl beansprucht, wird von der Gewalt des ganzen Farbenorchesters
überwunden, sodaß eine bezwingende Harmonie sich durchsetzt. Diese Harmonik
von Bauer-Saars Bildgefüge scheint mir am trefflichsten durch Augustinus ausgedrückt
werden zu können, der sagt, die Macht der Ordnung bestehe und äussere sich darin,
daß beliebige und selbst an sich häßliche Gegenstände durch „ordo“ im Verein des
Universums schön erscheinen. So wirken auch die farbigen Dissonanzen dieser Blätter
schön, weil sie die Überlegenheit des kosmischen Zusammenhangs enthüllen. Weil
sie aber aber auf der Gesetzlichkeit der immanenten Farbbeziehungen beruht, weil sie
kausal begründet ist und nicht nur emanative Funktionen vertritt, darum ist sie ein
vollgültiger Ausdruck der geistigen Ordnungstendenz, die Bauer-Saars Werk
kennzeichnet. Aus Bauer-Saars Werk scheint mir die tiefe Überzeugung von der
unausweichlichen Notwendigkeit zur Gestaltung zu sprechen, die von der heraufkom-
menden Generation verwirklicht werden wird. Ich glaube es, weil hier keine Ent-
schiedenheit zum Kampfe zu finden ist. Zu jenem geistigem Kampfe, der auch der
mittelalterlichen Welt als sittliche Aufgabe vorschwebte, mit der Bauer-Saar nicht
durch Vorbild und Nachfolgschaft verbunden ist, sondern aus deren Boden seine
Kunst erwächst.

Heinrich Ehl

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