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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 15.1924

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Schreyer, Lothar: Der dienende Herr: Der Knabe
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https://doi.org/10.11588/diglit.47214#0233
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DER STURM /V IERTES VIERTELJAHRHEFT

Er ist ein jäher Knabe
Ranken schlingen am Gemäuer die Blätter hoch
Hoch wirft sich der Falke vom Turm in den himmlischen Abgrund
Zerrauft flocken die schimmernden Falter zur Erde
Schlank biegt sich der Körper im Schilf
Teichperlen tropfen auf der Wasserrose
Schrei der Befreiten hallt im Wald
Spiele wühlen in Wiese und Wasser wach
Das goldene Auge des verzauberten Vogels sammelt Feuer und Feuer
Freude stürzt auf wildes Herz
Unbändige Schläge umbeben den wilden Menschen
Heiß umwogt der Hauch die Brust der Lebendigen
Die Träume sind nicht mehr
Der feierliche Blitz fesselt Himmel und Erde
Weltrauschen wandert und wandert
Alle Gespiele der Sterne Sternen über dem Staub
Breit strähnt das Lichthaar den harten Acker
Die schmale Birke schauert im rinnenden Saft
Die Spitzen der kleinen Blätter zittern ungeheuren Trieb
Gespannt ist der Bogen des jungen Leibes
Gefesseltes Haar schlingt Flattern ins Licht
Steil öffnet Blume an Blume den Kelch
Wunschwelt wandert groß
Wunschwelt wandert in Himmeln
Menschruf schreit Freude
Er ist ein stiller Knabe
Der Teich leuchtet unter den hängenden Zweigen
Der Tropfen liegt auf dem runden Blatt
Im Kelch der Blüte liegt der leuchtende Tropfen
Das Auge im Walde schimmert feucht
Im Spiegel sind die blanken Leiber gebannt
Mild schwanken die Äste
Die Frühe weht und wiegt kühl und lind
Noch winkt in der Morgenröte der weiße Stern

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