Pantomime, obgleich auch diese absolut sein
kann, als in der Form des Tanzes. Aber
auch das gilt nur vom reinen Tanz. Leider
hat der Tanz schon seit langer Zeit den
schlechten Ehrgeiz erlangt, aus seiner Rein-
heit zur Unreinheit des gegenständlichen
Tanzes zu dringen. (Und die Dummköpfe
nennen diesen impressionistisch gewordenen
Tanz jetzt expressionistischen Tanz.) Ich
will mich also nicht damit beschäftigen, die
Möglichkeit schauspielerischer Bewegungs-
kunst zu erklären, da sie wohl den meisten
begreiflich ist. Schwieriger ist es, die
Möglichkeit einer absoluten Sprechkunst zu
beweisen. Wie, so höre ich abermals fra-
gen, wie soll der Schauspieler ohne die
Dichtung oder ganz gewiß doch ohne die
Worte reden? Aber da stelle ich zuvor eine
Gegenfrage: Wie kann der Schauspieler ein
Kunstwerk nach seiner eigenen Idee und
nach seinem eigenen Willen schaffen, wenn
ihm die Dichtung die Worte genau vor-
schreibt? Die Worte, die doch in der ge-
samten vor-expressionistischen Dichtung,
wie jedes Kind weiß, nicht nach den Ge-
setzen der Kunst, sondern nach den Ge-
setzen der Logik, ja sogar nach den Ge-
setzen der Syntax und Grammatik geordnet
sind. Ein Schauspieler, der etwas Derartiges
fertig bringt, ohne jemals dagegen einen
Widerwillen empfunden zu haben, kann
kein Künstler sein, und wenn ihn eine ganze
Welt bejubelt. Denn die Grammatik ist un-
künstlerische Willkür, ebenso wie die Syn-
tax und die Logik. Und ihre Zertrümmerung
durch die expressionistischen Dichter bringt
die Gesetze der Kunst wieder zu Ehren.
Wie aber steht es mit den Worten selbst?
Sind sie in der Form, wie die Entwicklung
sie hat werden lassen, überhaupt zu beseiti-
gen? Was sind Worte? Verbindungen von
Konsonanten und Vokalen, also von Ge-
räuschen und Klängen, die nicht immer und
ganz besonders selten in unserer deutschen
Sprache, Wohlklang und in ihrer heutigen
Endform ebenso gewiß nicht nach künstle-
rischen Gründen aneinandergereiht sind.
Daraus habe ich die letzte Konsequenz ge-
zogen; Ich habe mir in dem „Drama“ (oder
wie man es nennen will, ich lege keinen
Wert auf das schlechte Wort) Ango laina
die Worte selbst neu geschaffen: in An-
sehung, will sagen, in Anhörung der Konso-
nanten und Vokale habe ich sie nach meinen
Klangvorstellungen geformt und rhythmisch
aneinandergereiht. Es gab nichts Selbstver-
ständlicheres. Und ich habe damit alle jene
Hindernisse beseitigt, die einer Verklang-
lichung durch die Sprechmelodie im Wege
waren. Denn jetzt war die Sprechmelodie
unabhängig vom Wort, das durch seine Be-
deutung, vom Satz, der durch seinen Sinn
der Melodie Vorschriften machte. Dies ist
die absolute Sprechkunst in ihrer höchsten
Form. Jede Verbindung mit dem gegebenen
Wort kann diese vollkommene Reinheit der
Sprechmelodie nur beeinträchtigen, ab-
schwächen, Wo aber steht in den Gesetzen
der Kunst geschrieben, daß die Sprech-
melodie, wenn sie eine solche Verbindung
mit dem Wort eingeht, zur Sklavin des
Worts, zur Dienerin an der Dichtung wer-
den müsse, wenn nicht gar zur Gelehrten-
figur einer Interpretin? Daß sie also das
werde, was besonders die Hüter der Litera-
tur von der Sprechmelodie, vom Schau-
spieler, von der Schauspielkunst immer wie-
der verlangen. Nirgends steht es geschrie-
ben, aber die Gesetze der Kunst verbieten
es.
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kann, als in der Form des Tanzes. Aber
auch das gilt nur vom reinen Tanz. Leider
hat der Tanz schon seit langer Zeit den
schlechten Ehrgeiz erlangt, aus seiner Rein-
heit zur Unreinheit des gegenständlichen
Tanzes zu dringen. (Und die Dummköpfe
nennen diesen impressionistisch gewordenen
Tanz jetzt expressionistischen Tanz.) Ich
will mich also nicht damit beschäftigen, die
Möglichkeit schauspielerischer Bewegungs-
kunst zu erklären, da sie wohl den meisten
begreiflich ist. Schwieriger ist es, die
Möglichkeit einer absoluten Sprechkunst zu
beweisen. Wie, so höre ich abermals fra-
gen, wie soll der Schauspieler ohne die
Dichtung oder ganz gewiß doch ohne die
Worte reden? Aber da stelle ich zuvor eine
Gegenfrage: Wie kann der Schauspieler ein
Kunstwerk nach seiner eigenen Idee und
nach seinem eigenen Willen schaffen, wenn
ihm die Dichtung die Worte genau vor-
schreibt? Die Worte, die doch in der ge-
samten vor-expressionistischen Dichtung,
wie jedes Kind weiß, nicht nach den Ge-
setzen der Kunst, sondern nach den Ge-
setzen der Logik, ja sogar nach den Ge-
setzen der Syntax und Grammatik geordnet
sind. Ein Schauspieler, der etwas Derartiges
fertig bringt, ohne jemals dagegen einen
Widerwillen empfunden zu haben, kann
kein Künstler sein, und wenn ihn eine ganze
Welt bejubelt. Denn die Grammatik ist un-
künstlerische Willkür, ebenso wie die Syn-
tax und die Logik. Und ihre Zertrümmerung
durch die expressionistischen Dichter bringt
die Gesetze der Kunst wieder zu Ehren.
Wie aber steht es mit den Worten selbst?
Sind sie in der Form, wie die Entwicklung
sie hat werden lassen, überhaupt zu beseiti-
gen? Was sind Worte? Verbindungen von
Konsonanten und Vokalen, also von Ge-
räuschen und Klängen, die nicht immer und
ganz besonders selten in unserer deutschen
Sprache, Wohlklang und in ihrer heutigen
Endform ebenso gewiß nicht nach künstle-
rischen Gründen aneinandergereiht sind.
Daraus habe ich die letzte Konsequenz ge-
zogen; Ich habe mir in dem „Drama“ (oder
wie man es nennen will, ich lege keinen
Wert auf das schlechte Wort) Ango laina
die Worte selbst neu geschaffen: in An-
sehung, will sagen, in Anhörung der Konso-
nanten und Vokale habe ich sie nach meinen
Klangvorstellungen geformt und rhythmisch
aneinandergereiht. Es gab nichts Selbstver-
ständlicheres. Und ich habe damit alle jene
Hindernisse beseitigt, die einer Verklang-
lichung durch die Sprechmelodie im Wege
waren. Denn jetzt war die Sprechmelodie
unabhängig vom Wort, das durch seine Be-
deutung, vom Satz, der durch seinen Sinn
der Melodie Vorschriften machte. Dies ist
die absolute Sprechkunst in ihrer höchsten
Form. Jede Verbindung mit dem gegebenen
Wort kann diese vollkommene Reinheit der
Sprechmelodie nur beeinträchtigen, ab-
schwächen, Wo aber steht in den Gesetzen
der Kunst geschrieben, daß die Sprech-
melodie, wenn sie eine solche Verbindung
mit dem Wort eingeht, zur Sklavin des
Worts, zur Dienerin an der Dichtung wer-
den müsse, wenn nicht gar zur Gelehrten-
figur einer Interpretin? Daß sie also das
werde, was besonders die Hüter der Litera-
tur von der Sprechmelodie, vom Schau-
spieler, von der Schauspielkunst immer wie-
der verlangen. Nirgends steht es geschrie-
ben, aber die Gesetze der Kunst verbieten
es.
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