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Sybel, Ludwig von
Weltgeschichte der Kunst im Altertum: Grundriß — Marburg, 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.19635#0098
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Erster Teil. Die Zeit des Orients.

So gegensätzlich der spätmykcnische und der geometrische Stil sieh auch gegen-
iittcrstchcn, so haben sie sich doch gelegentlich gepaart. Karische Vasen setzen aut
ntyhcnischc Gcfässfonncn geometrische Verzierungen, kretische und attische hingegen
mykenisicrende Ornamente auf geometrische Vasen. Und manche Bronzcbleclic mit
geometrischen Zickzacks und Tangentenkreisen, aus Olympia und Dodona, nehmen als
Randborte das rundformige „Flechtband" an. Es darf die Gcsellung so heterogencr
Ornamcntc wie Tangentenkreise und Flechtband nicht überraschen, denn sie sind Ge-
schwister, Finder derselben Mutter und desselben Vaters, des Spiralbandes und des
Zirkels. Das dem zweiten Jahrtausend so werte Spiralband sehen wir in der assyrischen
Zeit gewandelt, in zweierlei Art, beides durch den technischen Zwang, mit dem Zirkel
konstruieren zu müssen; Ansätze hierzu lassen sich schon an den über geschnittene
Holzmatrizen gepressten Goldblättchen aus den Burggräbern von Mykenä beobachten.
Eine lockere Reihe konzentrischer Kreischen, durch gleichlaufende Tangenten verbunden,
ergab die „Tangentenkreise", welche der geometrische Stil sich wählte; eine geschlossene
Kette nicht ganz durchgezogener, sich schneidender Kreischen ergab das „Flechtband",
welches zuerst an einem Ring aus Vaho und an einer Bügelkanne aus Jalysos vor-
kommt, weiter aber zum Licblingsornament der assyrischen Zeit, auch der Assyrer
sclbst wurde. In Nordsyrien gilt es vielen als Beweis assyrischer Invasion, uns jedoch
auch nur als Zeichen der assyrischen Zeit. Es will unter die Weltlierrschcr gezählt
sein als ein kürzester Ausdruck damaliger Weltkunst.
Die Fern Wirkung der griechischen Kunst in Westen und Norden will noch be-
achtet sein. Italien entwickelt die „ältere Villanovakultur", charakterisiert durch
Schachtgräber (pozzi) mit wenig Metallsachen aber vielen Tongefässen; jene wurden
graviert und gestrichelt, diese nahmen vorübergehend wohl gemalte Verzierung an,
fielen aber immer wieder in die altherkömmliche Ritztechnik zurück. Auch die Vasen-
formen blieben die in den Tcrramaren üblichen; eigentümlich ist der Typus der Haus-
urnen. Die Verzierung sowohl der Metall- wie der Tonwaren unterlag der Herrschaft
des geometrischen Stils nnter Beschränkung auf das Linearornament. Bei manchen
selbständigen Regungen und im ganzen barbarischen Gepräge kann die Villanovakultur
ihre Abhängigkeit vom Griechischen nicht verleugnen. Schon damals müssen östliche
Händler, Phönizier oder Griechen nach Italien gekommen sein und mögen sich ver-
einzelt dort schon niedergelassen haben. Es bleibt hier noch vieles zu erforschen, wir
nennen die wichtigsten Fundbezirke. Sizilien trat damals in seine „dritte sikelisclie
Periode" ein (Hauptstätte Finocchito); in Süditalien wird die Klasse der „altapu-
lischen Vasen" bemerkt; in Latium kommt das Albancrgebirg, auch Rom in Betracht,
nebst dem Faliskergebiet mit seinen alten Siedelungen und Gräbern, in Etrurien
näher der Küste Tolfa und Allumiere, sodann die Nekropolen von Corneto, Vnlci,
Bisenzio, Chiusi, Vctulonia; endlich in Oberitalien die älteste Gräberstadt von Bologna
(scavi Benacci I).
b Karien: Paton, Journ. hell. 1887, 66. Winter, Ath. Mitt. 1887, 221. Dümmler, eb. 1888,
278. Helbig, Gött. Nachr. 1896, 288. Kreta: Wide, Jahrb. 1899, 4L Attika: eb. 1900, 49.
Olympia: Ergebnisse IV Taf. 28, 629—682. 82, 601. Dodona: Karapanos, Dodona Taf. 49, 16—18.
Assyrien, Assurnasirpals Fayencen: Layard, Mon. I Taf. 86. Perrot et Ohipiez II Taf. 18.
-) Italien: Gsell, Fouilles de Vulci 1891, 249. Hörnes, Urgeschichte Europas 408. Böhlau,
Festschrift Kassel 1895, 89 Zur Ornamentik der Villanovaperiode; Jahrbuch 1900, 190. Sizilien:
Orsi, Röm. Mitt. 1900, 62. Süditalien: Petersen, Rom. Mitt. 1899, 176. Altapuliscli: Perrot et
 
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