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Primitive Kunst und Psychoanalyse
Urwaldhaftem. Denn über- und durcheinander gehäuft lagen und
liegen die Mitbringsel von gewiß sehr interessanten Reisen da, ver-
mengt mit allerhand rätselhaften Etiketten, die zum näheren Ver-
ständnis der seltsamen und reizvollen Werke meist nicht mehr
beitrugen, als die Aufschriften auf den weißen Apothekertöpfen.
Überall spürte man vor diesen merkwürdigen Häufungen afrika-
nischer, amerikanischer, ozeanischer . . . Dinge, daß kein von innen
her warm anteilnehmender Wille solche Aufstellungen durchdrang,
sondern daß ein gewiß ganz reger, aber irgendwie ganz kalter
Intellekt diese Sammlungen äußerlich beherrschte.
Es konnte ja auch nicht anders sein in einer Zeit, deren ver-
hältnismäßig kräftigste Kunstäußerung, der Impressionismus,
ganz anderen Tendenzen zugewandt war, als jener Geisteshaltung,
aus der das Primitive erwuchs. Die Fahrt in exotische Landschaft
fehlte nicht durchaus, aber sie trug den Charakter einer Studien-
reise, auf der man fremdartige Verhältnisse der Beleuchtung und
atmosphärischen Bewegung in dauerndem Bilde festhalten wollte.
Hochmütig trug der Europäer überall die Widerspiegelungen seiner
eigenen Veräußerlichung hin.
Nicht ganz und gar war der europäische Sinn verblendet. Sobald
er sich kritisch gegen sich selbst und seine Werke kehrte, ent-
schwand ihm nur zu bald das eitle Selbstvertrauen, — eine tiefe
Niedergeschlagenheit kam mählich über ihn und eine Sehnsucht’
trieb ihn hin zur Frühzeit der Kultur. Seit der Epoche Jean Jacques
Rousseaus verhauchte niemals völlig "der fremdländische Duft.
Aber es blieb zumeist bei Stimmungen, Wünschen, — der Lyriker
trug ein sehnsuchtsvoll erwünschtes Bild in sich, versetzte seine
Verwirklichung auf unbekannte Küsten entfernter Erdteile. Hin
und wieder trat hilfreich die gelegentliche Kenntnis ferner Men-
schen und Gebiete hinzu. Dann gelang es Charles Baudelaire
Verse und Strophen zu erbauen, in denen Sehnsucht ins Weite
Primitive Kunst und Psychoanalyse
Urwaldhaftem. Denn über- und durcheinander gehäuft lagen und
liegen die Mitbringsel von gewiß sehr interessanten Reisen da, ver-
mengt mit allerhand rätselhaften Etiketten, die zum näheren Ver-
ständnis der seltsamen und reizvollen Werke meist nicht mehr
beitrugen, als die Aufschriften auf den weißen Apothekertöpfen.
Überall spürte man vor diesen merkwürdigen Häufungen afrika-
nischer, amerikanischer, ozeanischer . . . Dinge, daß kein von innen
her warm anteilnehmender Wille solche Aufstellungen durchdrang,
sondern daß ein gewiß ganz reger, aber irgendwie ganz kalter
Intellekt diese Sammlungen äußerlich beherrschte.
Es konnte ja auch nicht anders sein in einer Zeit, deren ver-
hältnismäßig kräftigste Kunstäußerung, der Impressionismus,
ganz anderen Tendenzen zugewandt war, als jener Geisteshaltung,
aus der das Primitive erwuchs. Die Fahrt in exotische Landschaft
fehlte nicht durchaus, aber sie trug den Charakter einer Studien-
reise, auf der man fremdartige Verhältnisse der Beleuchtung und
atmosphärischen Bewegung in dauerndem Bilde festhalten wollte.
Hochmütig trug der Europäer überall die Widerspiegelungen seiner
eigenen Veräußerlichung hin.
Nicht ganz und gar war der europäische Sinn verblendet. Sobald
er sich kritisch gegen sich selbst und seine Werke kehrte, ent-
schwand ihm nur zu bald das eitle Selbstvertrauen, — eine tiefe
Niedergeschlagenheit kam mählich über ihn und eine Sehnsucht’
trieb ihn hin zur Frühzeit der Kultur. Seit der Epoche Jean Jacques
Rousseaus verhauchte niemals völlig "der fremdländische Duft.
Aber es blieb zumeist bei Stimmungen, Wünschen, — der Lyriker
trug ein sehnsuchtsvoll erwünschtes Bild in sich, versetzte seine
Verwirklichung auf unbekannte Küsten entfernter Erdteile. Hin
und wieder trat hilfreich die gelegentliche Kenntnis ferner Men-
schen und Gebiete hinzu. Dann gelang es Charles Baudelaire
Verse und Strophen zu erbauen, in denen Sehnsucht ins Weite