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Sydow, Eckart von
Primitive Kunst und Psychoanalyse: eine Studie über die sexuelle Grundlage der bildenden Künste der Naturvölker — Leipzig, Wien, Zürich: Internationler Psychoanalytischer Verlag, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.69943#0201
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i?8

Primitive Kunst und Psychoanalyse

„psychischer Vitalismus“ verborgen liegt, verschuldet, daß die ex-
pressionistische Bewegung nach verhältnismäßig kurzer Zeit versandet
ist. Denn das organische Leben der sensuellen Triebe ist mit der
Naturwirklichkeit auf das engste verknüpft und verbunden, ja
verbündet. Der Widerwille aber, den der Expressionismus gegen
das Naturhafte empfand und der sich in dem Schlagworte von der
Überwindung des Naturalismus aussprach, hat ihn des notwendigen
Bündnisses mit der Natur beraubt. Indem er sich oberhalb und
außerhalb der Schicht des Unbewußten zu leben und zu arbeiten
unterfing, mußte er der tiefsten und unerschöpflichen Kraftquelle
entraten. Die Lehre, die wir aus dem Niedersturze seines Dädalus-
fluges entnehmen müssen, ist die Erkenntnis von der Unentbehr-
lichkeit des naturhaften, organischen Elementes für die Struktur
jeglicher Kunst, die über die Formulierung einer kurzlebigen Ge-
neration hinaus dauernde Zielsetzungen verfolgt. In diesem Sinne
erhoffen wir gerade von der Kenntnis und vom Erlebnis der natur-
völkischen Kunst allmählich eine intensive Bereicherung der kom-
menden Kunst. Denn nicht die bloße Verneinung der Mechanik
und des Intellektes, etwa im Siedlungswesen und in religionshafter
Abseitigkeit, kann und darf das Ziel einer anstrebenswerten Wandlung
sein, sondern die Steigerung des Sensuellen und des organischen
Lebens zu solcher Höhe, daß der Wille zum Ideal einen neuen
Impuls zu neuer Steigerung erhält.
 
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