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Tappe, Casper H.
Das Bild Von Atma, Oder Grundlinien Der Zeichenkunst: Mit 12 Steintafeln — Essen, 1824

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https://doi.org/10.11588/diglit.19901#0002
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Die Griechen sollen beim Unterrichte im Zeichnen 2uerst an die Festigkeit der Hand und des Strichs, dann an die Feinheit, Leichtigkeit
und zuletzt an die Freiheit desselben gedacht haben. Es wird damit wohl gesagt, dafs die Schüler zuerst lernten, das Feste, Ruhige; dann
das Bewegliche, Feine, Leichte, Zierliche, Reizende, Freie, zuerst mit mathematischen Werkzeugen, dann mit Freiheit auszudrücken. Und
zu diesem Ziele gelangt man am schnellsten, wenn der Verschiedenheit des Ausdrucks, das Bild des Innersten, des Bestehenden im Veränder-
lichen, wovon die unserm Blicke vorübergehenden Erscheinungen nur verschiedene Einkleidungen, Anzüge sind, zum Grunde gelegt wird.
Wie ist aber dieses Bild zu finden ?

Es wird zuerst gefragt: welches sind die Uikräfte?

„Die Ordnungskräfte des Weltengangs sind Werden, Daseyn, Enden." *)

Wie können nun diese durch Bilder ausgedrückt werden?

Zuerst wird ein Punkt gesetzt. Die Vergröfserung desselben, wenn die Linien deutlich zu unterscheiden seyn sollen, kann nicht an-
ders als in der Form der einfachen Spirallinie geschehen. Wenn er sich nach allen Seilen gleichmäfsig ausdehnte, sich eine Peripherie
um die andere bildete, wäre wegen des Zusammenhangs der Linien nichts deutlich zu erkennen. Erweitert sich der Punkt in der Form
einer aus Kreisen bestehenden Spirallinie, und geht wieder so zurück, so ist auch nichts besonderes wahrzunehmen. Wenn sich nun der
Punkt in der Form der einfachen Spirale ausbreitet, und wieder, aber in einen andern, auf die nämliche Weise zurückgeht, als ein Ab-
wenden, ein Fliehen des Ersten, ein Ringen nach Entgegensetzung, nicht allein als ein Aus- und Eingehen, sondern auch als Vor- und
Zurücktreten, so zeigt sich die Gestalt des S als das Bild des Gegensatzes, der Zweiheit, des Wechsels, der Bewegune, des Streits, der
Spannung; auch des Lebens, da es sich durch Würksainkeit offenbart.

Dehnt sich der Punkt in der Gestalt der einfachen Spirallinie aus, und kehrt wieder in sich selbst, in denselben Punkt, zurück, so
zeigt sich im Mittelpunkte des Kreises die Gestalt des Halbmonds berührend, das Bild der Zu-Neigung, der Liebe, auch der Emanation
und der Remanation, des Lichts durch Sonne und Mond. **)
„Die Liebe ist das Wesen, der Kern in Allem."
„Der Gegensatz ist der Grund der Dinge." ***)

Wird das Bild der Zuneigung umgewendet, so entsteht das der Ab-Neigung, des Hasses.

Diese Figuren werden in einem Zuge gemacht; wo angefangen wird, ist angegeben; die untern aber, die von der wagerechten, von
der mit der Erde gleichlaufenden, zur senkrechten Linie, der freieren, aufsteigen, werden in zwei Zügen gemacht.

*) Müller; Glauben, Wissen und Kunst der alten Hindus. I. S. 188.
**) Creuzer: Symbolik über Artemis. — Görres Mythengeschichte. I. Einleitung Über die Spirale.
***) Müller: Glauben, Wissen und Kunst der alten Hindus. I. 45g. — Ritter: Geschichte der Ionischen Philosophie;
 
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