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DAS NEUE LEBEN

Architektonische Apokalypse

Langsam dreht sich der alte Erdball um die alte Sonne, die nicht mehr
glüht und strahlt wie einst.

Dunkelviolett scheint die alte Sonne, so daß es nie mehr Tag wird — auf
Erden niemals mehr.

Stille Nacht ist überall.

Es ist sehr sehr still.

Der Himmel ist schwarz wie schwarzer Sammet.

Die Sterne aber funkeln so hell wie sonst — wohl noch heller, da sie größer
sind.

Goldene Sterne sind’s!

Der Erdball ist ganz weiß — ganz mit weißem Schnee umhüllt — mit ieuch«
tendem Schnee!

Sternklare Winternacht auf den Höhen und im Tal!

Die tote Erde dreht sich immer langsamer.

Doch im sammetschwarzen Himmel wird’s lebendig.

Die großen Erzengel kommen.

Mit riesig großen weißen Flügeln flattern sie eiligst herbei. Es rauscht
durch den Himmel.

Es wird so laut, so voll Trubel die Luft, als wenn viele Millionen großer
Völkerscharen zu neuem Leben erwachen.

Aber es kommen nur die Erzengel. Es sind ihrer zwölf. Sie sind so schreck*
lich groß. Sechs umflattern die eine Hälfte der Erdkugel und sechs die andre,
so daß man von beiden kaum mehr was sieht.

Die Engel beugen Iangsam, Flügel schlagend, die Köpfe herunter. Ihre
Füße schweben hoch über den beiden Polen der Erde. Die zwölf Köpfe
bilden bald mit ihren flatternden blonden Locken um des Erdballs Mitte
einen prächtigen Haarring.

Zunächst nimmt jeder Erzengel den großen Dom, den er im Arme trug,
in beide Hände und setzt ihn auf ein hohes Schneegebirge. Danach ziehen
alle Zwölf ihre dicken Pelzhandschuhe aus und greifen geschwinde mit ihren
zarten Fingern in ihren weltmeergroßen Rucksack.

Aus ihrem Rucksack holen die Engel viele hundert neue, blitzblank glän*
zende Paläste hervor. Und mit den Palästen schmücken sie den großen
Schneeball, der sich Erde nennt, daß er bunt wird und mächtig funkelt; die

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