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RUMPF OHNE KOPF

ie Idee der neuen Stadt wird Früchte tragen und wir sollen glücklich

JLy sein, daß wir sie haben. Sie ist uns die sichere Verheißung, daß unsere
Nachkommen besser und schöner leben werden.

Aber vergegenwärtigen wir uns einmal deutlich diese Idee: Organisieren
— Disziplinieren — Organisieren — Disziplinieren —. Es soll nicht unter*
schätzt werden; aber ist das schon eine Idee, die man bauen kann, die selber
bauende Kraft hat? Wo liegt darin das Bildhafte, ohne das es keine Kunst
gibt? WelchesBild machen wir uns danach von der neuen Stadt? Gesunde
Wohnungen, Gärten, Parks, schöne Wege, Industrie, Geschäfte — alles gut
geordnet und bequem darin zu leben. Dann hier und da eine Schule, ein
Verwaltungsgebäude, — diese schön romantisch oder klassizistisch angelegt.
Es will scheinen, als wenn Bequemlichkeit, Behaglichkeit und Nettheit doch
wohl nicht alles sein können. Das Ganze zerfließt wie Schnee in der Sonne.
Ist denn kein Kopf da, hat dieser Rumpf keinen Kopf? Ist das unser Abbild,
ist so unsere geistige Verfassung? Wir sehen die alten Städte an und müssen
resigniert sagen: Wir haben keinen Halt.

Aber wir haben doch Staatsbauten, Schulen, Bäder, Bibliotheken, Stadt*
verwaltung usw.! Die können doch dominierenl — Doch ein Teil davon
wie Schulen, Bäder, Bibliotheken (mit Ausnahme der Hauptbibliothek)
muß aus praktischen Gründen in unserer bequemen Stadt zersplittert liegen,
damit sie wirklich ihre heilsame Wirkung ausüben. Aber die Bauten der
kommunalen Verwaltung können doch in der Mitte liegen und herrschen,
wie einstmals das Rathaus! Doch das ordnete sich früher ja unter, wie wir
gesehen haben, trotzdem es damals reiner Repräsentationsbau war. Unsere
Rathäuser aber sind Bureaus für alle die städtische Verwaltungsarbeit. Zu
ihnen kommt der Bürger, um seine Steuern zu bezahlen, um sich an= und
abzumelden usw. Außerdem enthalten sie wohl den Versammlungssaal der
Stadtverordneten, Sitzungsräume und anderes; aber repräsentiert das so
unsere Lebensauffassung, daß es mächtig über dem Stadtganzen thronen
kann? Die opulente Ausstattung der modernen Rathäuser mit Turm und
einer schweren Architektur wird ja neuerdings aus Gründen der Sparsam*
keit eben weil es dem inneren Wesen des Baues widerspricht, mit Recht ver-
worfen1. Die Städte haben wohl ihre eigene selbständige Verwaltung, aber
sie ist nicht so kraftvoll selbstherrlich, wie die der alten Reichsstäd'te, und

1 Cürlis und Stephany: Irrwege unserer Baukunst.

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