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Taut, Bruno
Die Stadtkrone — Jena, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.29957#0088
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des »Städtebaues« entwickelte, tauchte ganz allmählich der Wunsch nach
Ziel und Bekrönung auf. Ich stelle hier das von Ebenezer Howard in seiner
bahnbrechenden Schrift »Gartenstädte in Sicht« für das Stadtzentrum skiz*
zierte Planschema (Abb. 56) demjenigen der chinesischen Stadt Küfu
(Abb. 58) gegeniiber, um zu zeigen, wie rein rationalistisch man vorging.
Das Zentrum der Gartenstadt Letchworth (Abb. 57) zeigt die Verbindung
von Kirche und Rathaus. Das machtvolle Areal des Konfuzius^Tempels in
Küfu (Abb. 55) spricht von einer gewaltigen, alle Gemüter bewegenden
Idee, der gegenüber unser zerfließender Rationalismus sich nur demütig
beugen kann. Aber die Idee der Gartenstadt ist mehr als bloßes Verstandes*
erzeugnis. Sie ist aus einer Sehnsucht nach Glück geboren und wird uns
dem Ziele entgegenführen.

Der abgebildete Plan für KleimHohenheim bei Stuttgart (Abb. 63) möge
als ein Beispiel dienen, daß auch bei einer lockeren landhausmäßigen Bau-
weise die Schaffung einer Krone mit Pesthaus u. dgl. wohl möglich ist.

Angestrengte Bemühungen setzten ein, das einmal entstandene regellose
Großstadtbild zu ordnen und auch die öden Mietskasernenviertel mit einem
Hauche menschlichen Geistes zu berühren. Viele Anregungen, selbst hier
Halt und Kopf zu geben, bot der Groß^Berliner Wettbewerb 1910, der noch
an dem Bilde der Reichshauptstadt retten sollte, was zu retten war. Am auff
fallendsten trat die Neigung zur Spitzenbildung bei der Arbeit von Bruno
Schmitz hervor, die aber an einer künstlichen Selbstüberbietung und Mo-
numentalitätssucht krankte. Es fehlte die innere Idee, ohne die solche Dinge
nur im Formalen stecken bleiben. Wie edel berührt die Bekrönung Londons
durch die St. Pauls*Kirche, die früher nach dem Willen der Stadtschöpfer
ganz gewaltig überragte (Abb. 14), aber auch heute noch eine große Wir*
kung ausübt: in der Krypta, genau im Mittelpunkt der Kuppel, der prächtig
hochgestellte Sarkophag Nelsons, darüber die Kirche mit aer gewaltigen
Kuppel, die auch heute noch das Stadtbild weithin beherrscht. Diese Prä«
gung des Heldenkults erinnert an die feinkultivierte und durch lange Tra*
dition gepflegte Ehrung der Helden im chinesischen Kultus.

Schöne Arbeiten erzeugte das Bemühen Otto Wagners in Wien, in die
Mietskasernenstadt Ordnung und Klang hineinzubringen (Abb. 62), wenn
es auch unter gewissen lyrischen Elementen und unter der unmöglichen
Gegenüberstellung von selbstständigen in sich abgerundeten Bauten zu den
Baukästen der Häuserblöcke leidet. Es liegt hier etwas den amerikanischen
Bestrebungen Verwandtes vor.

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