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religiöser Forderungen aus ihrer zeitlichenErstarrung in ihren ewigmensch*
lichen Wert.

Nicht ein Programm, sondern eine Fahne soll gegeben werden; nicht ein
toter Entwurf, sondern ein lebendiges Gebilde, das die Sehnsucht des
Herzens schuf. Menschensiedelung als Seelensache. Der Verstand braucht
dabei nicht zu schweigen. Er ist die spürende Vereinzelung in der wunder*
vollen gesamten Unbedingtheit, die auch dort absolut herrscht, wo alles
relativ scheint.

Volksrecht, Volkswille, Volksstaat — sind aus lebenskräftigen Tendenzen
zu leeren Parlamentsformeln, Zeitungsköpfen und Buchtiteln geworden.
Volkskunst, Volkshaus, Volksschule setztVolk und Kunst, Haus und Schule
in gleicher Weise herab. Volk ist tätiger und leidender Inbegriff der be*
wohnten Erde, Kaiser, König, Edelmann, Bauer, Bürger, Bettelmann. Der
erste Diener des Staates sein zu wollen klingt demokratisch, des Königs
Willen als oberstes Gesetz zu bestimmen klingt autokratisch. Beides aber
geht am Volke fremd vorüber. Regieren und Regiertwerden ist die Um*
schreibung und Formel der Herrschenden und Untertanen. Mehr als aus
Abstimmungen und Äußerungen einzelner spricht das Volk aus der Ge*
samthöhe seines Schaffens, hier spricht es, besonders auch in der künsff
lerischen Leistung.abbildlich zu uns. So gewinnen wir den rechten Maßstab.
Richtig verstanden, sind Volk und Kunst unteilbar und untrennbar; die
unterschiedlichen Stufungen gehen nur Staat und Gesellschaft, Länder und
Geschichte, Handwerk und Unterhaltung an.

Der Beamtenstaat und der Militärstaat sind heute die gewöhnlichen For*
men des bürgerlichen Neben* und Gegeneinanderlebens, wobei dieMensch-
heit schlecht gedeiht. Das auf gegenseitiger Wertschätzung begründete Miff
einandersein ist nur selten und dabei meist unglücklich erprobt worden.
Die sozialen, kulturellen und künstlerischen Bestrebungen krankten und
scheiterten vielfach an unedlen Abhängigkeiten und kleinpersönlichen
Eitelkeiten, wo freie Selbständigkeit und überindividuelles Aufgehen im
Werke der Sache und somit der Gesamtheit genützt hätte. Der Gedanke
der Gartenstadtgründungen ist spekulativ so arg verfälscht und die damit
verbundene größere Idee so oft und so sehr verkleinert worden, daß von
der ursprünglich geplanten Bewegung bei uns in Deutschland noch weniger

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