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bücher waren, bei denen die Malerei sich Rats erholen mußte, in dem Mo-
ment, da sie sich endgültig von der Baukunst löste. — »Bild«, ist das nicht
zunächst, selbst heute noch, in unserer Vorstellung die illustrierte Seite eines
Buches ? Sind nicht für unser Gefühl noch immer Buch und Bild zusammen«
gehorige Begriffe?

Wie schwach, wie bedeutungslos mußte die Malerei geworden sein, wenn
sie, niedergestiegen aus den Wölbungen und nun ratlos stehend, keinen
anderen Weg der Fortsetzung sich fand, als die Vergrößerung von Buch*
seitenl Die Kunstgeschichte geht über diesen kritischen Zeitpunkt schlicht
hinweg. Sie sieht auch hier nur den üblichen logischen Fortschritt. Wir aber
glauben, daß zu dieser Zeit das Verhängnis der modernen Malerei besiegelt
wurde und wollen im folgenden auf einige der Folgeerscheinungen aufmerks
sam machen.

Von jetzt ab sieht sich die Malerei gezwungen, gegenständlich zu sein.
Das Gegenständliche wird nun der Maßstab derMalerei und wird der neue
Boden, der sie trägt. Die gute Malerei war nicht notwendig ungegenständ*
lich, aber sie blieb dem Gegenständlichen gegenüber frei, sie bediente sich
des Gegenstandes. Das Gegenständlicheberührteniemals ihren Stil, während
man nun geradezu von einem »Stil des Gegenständlichen« sprechen kann.
Bis dahin brauchte die Malerei sich nicht zu rechtfertigen. Sie brauchte nur
schön und reich zu schaffen und zu sein. Die Rechtfertigung nahm ihr ein
Anderes ab. Ihre Rechtfertigung gab das große weitgespannte, alles in sich
tragende Werk. Durch dieses hatte sie von selbst einen Sinn. Der Sinn war
nicht in der architektonischen Form, nicht in der Plastik und nicht in der
Malerei, sondern über ihrer Gemeinsamkeit. Wenn sich nun jetzt die Malerei
von der Architektur ganz ablöste, so mußte sie sich einen neuen Sinn, eine
neue Rechtfertigung suchen. Und ganz natürlich konnte diese Rechtfertigung
nicht mehr in einem größeren Ganzen außerhalb der Malerei selbst sein,
sondern die neue Rechtfertigung fiel als eine Last auf ihre eigenen, bis da-
hin unbeschwerten Schultern. Nur noch in sich konnte die Malerei sich
rechtfertigen, und es konnte da kaum etwas anderes sein als der Gegenstand,
an dessen Deutlichkeit und allgemeinem Anerkenntnis sie sich aufrichtete.
Einst war sie teilhaftkosmischenEmpfindens.Da breitete sie sich schmückend
in die Flügel der Baukunst. Hoch wurde sie emporgetragen, und frei, ganz
frei konnte sie bilden, nach dem wahren Worte Meister Eckharts: »Je mehr
gefangen, je mehr befreit.« Jetzt aber, mit den Eyks, ist die Malerei irdisch
geworden. Sie hat Selbstbewußtsein, und weil sie die beruhigende Beob*

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