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Teske, Hans
Thomasin von Zerclaere: der Mann und sein Werk — Heidelberg: Winter, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.47780#0231
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10. Thomasins politische Stellung.

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Schon die Ubilosoxbis, Nornlis»^ verbindet beide Senecazitate. Doch
scheint mir, daß Thomasin außerdem den Urtext, wenigstens den der Epi-
stel, gekannt hat, zu genau stimmen dazu Anordnung und Aufbau, sogar in
Einzelheiten^». Auch Johannes von Salisbury geht im Uolioratieus
auf die Behandlung der Knechte ein-'°". Freilich stimmt er nur in der
allgemeinen Haltung zu Thomasin.
Von den Bürgern als einem eigenen Stand schweigt der Dichter.
Der üoukmM ist ihm der Vertreter der neu auskomtnenden Geldwirt-
schaft, ist für ihn kurzweg der vuoelieraere. Jede Art von Geiz und
Geldgier ist ihm verhaßt. Er greift die Ritter scharf an, die sich in Han-
delsgeschäfte einlassen und statt nach dem Schwerte nach den Geschäfts-
büchern greifen. Er sieht erbittert zu, wie die alten Ideale neuen Zeiten
weichen, wie Pfaffen und Laien gleichermaßen nach irdischem Besitz
streben. Er eifert mit scharfen Worten gegen M-eselieit (13751) und
erZe (13 789). Er stellt noch einmal in einem ganzen Buch seines Werkes
das hohe Bild der mitte vor eine Zeit hin, die so ganz andere Wege
gehen wird. Er tritt für die feudale Ordnung gegenüber der städtisch-
bürgerlichen ein. Damit spricht er zugleich als Friauler gegen den
venetianischen Einfluß.
Level hat mit allem Nachdruck und mit vollem Recht darauf hin-
gewiesen, daß in Istrien zur Zeit der letzten Patriarchen aus deutschen
Häusern der landesherrlich-städtische Gegensatz weithin mit dem deutsch-
italienischen zusamtnenfällt. Man könnte hinzusetzen, daß auch in Friaul
dasselbe gilt, daß dieser Gegensatz weiterhin der zwischen der alten
Feudalwirtschaft und der neuen Geldwirtschaft ist, die sich in den itali-
enischen Städten ausbildet. Vor allem von Venedig her dringt sie auch
in Friaul ein. Venedig hatte bereits den vierten Kreuzzugs als ein
kapitalistisches Unternehmen zu Erwerbszwecken geführt, sein Einfluß
wirkt wie auf Istrien so auch nach Friaul. Fremde lassen sich neben
den Einheimischen oder Deutschen nieder. Und wie so oft, kommen auch
hier die Einwanderer zugleich als Träger einer neuen, höheren Form
des Wirtschaftsverkehrs»»».
So ist der theokratische Feudalstaat Friaul nicht nur von äußeren
politischen Gegnern an seinen Grenzen bedroht. Nicht nnr strebe« die

Holmberg (Anm. 403) 67, ISff. Rückert S. 680.
VIII e. 12, Webb (Anm. 561) II 300 ff.
Dazu vgl. Lujo Brentano, Der wirtschaftende Mensch in der Geschichte.
Leipzig 1923, 282 ff.
Werner Sombart, Der moderne Kapitalismus N. München u. Leipzig
1916, 888.
 
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