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Teske, Hans
Thomasin von Zerclaere: der Mann und sein Werk — Heidelberg: Winter, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.47780#0232
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212

II. Thomasin von Zerclaere.

mächtigen Vasallen und Ministerialen nach größerer Selbständigkeit.
Zur selben Zeit regen sich in den Städten neue Kräfte, die das Gefüge
des Staates selbst bedrohen. Die ganze Zeit seiner Herrschaft hindurch
hat Wolfger dem Grafen von Görz Übergriffe auf Friauler Gebiet
wehren müssen, hat er venetianische Ansprüche in Istrien nnd Friaul
zurückweisen, hat er seinen unbotmäßigen Adel bändigen müssen. Nun
erwächst unter seinen Augen der Geschlossenheit des Landes ein weiterer
Feind. Die eigenen Ritter möchten es den hereingezogenen welschen
kouüinten gleichtun. Sie stellen die Schwerter beiseite nnd sitzen bis
in die Nacht über den Geschäftsbüchern. Eine gesellschaftliche Um-
schichtung größten Ausmaßes bahnt sich an. Noch scheidet die Livenza
grundverschiedene Wirtschafts- nnd Staatsformen voneinander. Fällt
der wirtschaftliche Gegensatz, so wird der politische folgen, dann ist es
ans mit dem Landesfürsten nnd seinem feudalen Regiment. Wolfger
wird diesen Gegensatz und seine politische Bedeutung so gut gekannt
haben wie Buoncompagno, Thomasin nicht minder. Patriarch und
Domherr sehen die ernsten Gefahren, die wie von außen, so auch von
innen dem Lande drohen. Sie lehnen sich auf gegen eine Entwicklung,
die alles kosten kann.
Wolfger denkt als Staatsmann zunächst an sein Land und seine
Herrschaft. Thomasin, dem Theologen, geht es nm mehr. Er sieht
Gottes Ordnung selbst bedroht. Deshalb beschwört er den Adel, seiner
hohen Pflichten eingedenk zu sein, in seinem orcken zu bleiben, nicht
frevelhaft die ihm von Gott gesetzten Schranken zu überschreiten.
Troeltsch hat in seinen grundlegenden Untersuchungen über die Sozial-
lehren der christlichen Kirchen"^ gezeigt, in wie starkem Maße Feudal-
system und Naturalwirtschaft dem kirchlichen Ideal entsprechen. „Alles
erscheint als Gabe der Natur, als selbstverständliche Lebensform und
damit als göttliche Ordnung, als gute Gabe oder als Strafe und Ge-
richt^"". Thomasin macht sich zum Vorkämpfer für diese Ordnung, die
er an Gottes 8taete bindet, die er als Ausfluß seiner ewigen lex emp-
findet, als einzig imstande, den Frieden der Welt zu gewährleisten.
Sein Kampf gegen die vordringende Gsldwirtschaft ist wie sein Kampf
gegen den Ungehorsam nnd gegen die Auflehnung ein religiöser. Der
Theologe eifert gegen den Mammon. Er will die sozialen Unterschiede
bewahren und nicht zulassen, daß sie verschwinden. Er will sie mildern
durch freiwilligen Gehorsam der Untertanen und willige Pflichterfüllung
der Herren. Zum Recht soll sich die Liebestätigkeit, die edelste der
Tugenden, gesellen.

(Amu. 772) 242 ff.

ebd. 248.
 
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