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1t). Thomasins politische Stellung.

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Thomasins politische Forderungen erwachsen aus einer anderen
geistig-religiösen Haltung als die Ansichten Wolfgers. Trotzdem gehen
Patriarch und Domherr im Tatsächlichen weithin miteinander. Beide
sind konservativ. Beiden eignet dieselbe Ablehnung eines übersteigerten
hierarchisch-papalen Anspruchs ans Weltherrschaft. Beide weisen die
Angriffe auf die ständische Ordnung zurück. Freilich hat sich manches
seit der Zeit gewandelt, da geistliche und weltliche Fürsten einhellig
sich dagegen verwahren können, daß der Papst zu Unrecht seine Hand
gegen die Rechte des Reiches ausstrcckt"^ und sich gegen alle Rechts-
ordnung in die römische Königswahl eingemischt hat°°°. Inzwischen
haben Otto und Friedrich II. wichtige Kronrechte fahren gelassen, ist
die Macht des Papsttums gewaltig gestiegen, sind die Bischöfe abhän-
giger von Rom geworden, als sie es vorher gewesen. Die Zeit der
lauten Proteste ist vorbei. Wolfger hat im Stillen weitergekämpft. Er
hat Otto geraten, die Ehe mit der Staufererbin noch im Lager vor
Weißensee zu vollziehen. Damit versucht er, den geblütsrechtlichen An-
spruch des Staufers Friedrich ans demselben Gebiete, eben durch Her-
stellung der legitimen Folge Ottos auf Philipp, zu entkräften^. Wenn
Walther zur selben Zeit Otto auffordert, als rex Irmins sich an die Spitze
des Kreuzheeres zu stellen, so liegt das in derselben Linie. Auch hier
soll dem päpstlichen Angriff auf die Würde des Kaisers, diesmal von
der anderen Seite, von dem theokratiichen Amtsgedanken her, gewehrt
werden.
In diesen Zusammenhang gehört auch Thomasins Aufruf an Fried-
rich II. Otto ist endgültig abgesetzt. Wolfger, dem es auf das Kaisertum,
nicht auf diesen oder jenen Inhaber der Würde, sondern auf das Reich
selbst ankommt, wendet sich zum Staufer. Ihn ruft in seinem Auftrag,
jedenfalls aber mit seiner Zustimmung, Thomasin zur Führung des
Kreuzzuges, ihn, den rex iustus, zum bellum iustum wider die Feinde
der Christenheit. Der Reichsfürst hatte auch dem Gebannten die Treue
gehalten, solange er irgend Aussichten hatte. Der Theologe und Pre-
diger kann nur den Fürsten als rechten Amtshalter anerkennen, der im
Frieden nut der Kirche steht. Im Falle Friedrichs stimmen beide über-
ein. Beide sehen in ihm das weltliche Haupt der Christenheit. Bei
einem Manne, der so vorsichtig seine Worte abwägt wie es Thomasin
tut, will wohl beachtet sein, wenn er nicht den Papst, sondern den welt-
lichen Fürsten mit der Sonne vergleicht, die dem Monde ihren Schein
Speyerer Fürstenertlärnng von 1199, RsZ. cis nsx. Nr. 14.
'» Erklärung von Halle (1202), ebd. Nr. 61.'
hierzu und zum folgenden vgl. Kern (Anm. 897) HZ 2; 8.
 
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