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H. Thomasin von Zerclaere.

gibt, sie werden ihre Strafe dafür erfahren. Aber sie reißen uns mit
sich herab in die Verdammnis. Dann holt er wieder breit aus, spricht
von den einzelnen Lastern, spielt dabei oft auf Friauler Verhältnisse
und Beschlüsse der Lateransynode an und schließt noch einmal mit einem
Hinweis auf das Jüngste Gericht. Das Buch VIII gleitet ganz in das
Politische ab, steigt von der Kritik an Ottos suxsrbiu auf zur Ausein-
andersetzung mit Walthers Angriffen und gipfelt endlich in der eindrucks-
vollen und mitreißenden Kreuzpredigt. Dann erst kehrt der Dichter zu
dem ursprünglichen Plan zurück.
In die gelehrte Arbeit sind die Zeitereignisse übermächtig einge-
brochen, sie haben den Dichter fortgeführt in Bereiche, die zu betreten
nicht in seiner ersten Absicht lag. Trotzdem fällt dieses Mittelstück nicht
aus dem Rahmen. In ihm wirken dieselben Grundgedanken wie in
dem Gesamtwerk. Die Grundhaltung ist die gleiche. Hier wie dort ist
Thomasin derselbe, ist er Sittenlehrer und Tugendkünder, Prediger
und Erzieher, getreuer Sohn der Kirche und Anhänger des Papstes.
Verschieden ist nur die Form, nicht der Inhalt. Mag die Strenge des
Aufbaus unter diesem Einbruch der Tagesnöte leiden, die innere Ge-
schlossenheit, die Ganzheit des Werkes bleibt. Sie ist an einer anderen
Stelle entscheidend gestört, gleich zu Anfang, im I. Buch.
Abschnitt 7.
Das erste Buch des Welschen Gastes.
Zwischen dem ersten und den übrigen Büchern des Welschen Gastes
klafft ein Riß, der den meisten Forschern bisher entgangen ist. Nur
Laura Torretta^ weist mit Nachdruck auf den deutlichen Gegensatz
in der Haltung der beiden ungleichen Teile hin. Sie betont, daß das
ganze erste Buch aus der älteren welschen Arbeit schöpfe, die zu einer
Zeit entstanden sei, da Thomasins Lebensführung dem dort Gesagten
entsprochen habe. Inzwischen aber habe sich das geändert. Einst lebte
er zwischen Rittern und edlen Frauen, dichtete in ihrem Dienst, nun
schreibe er von Herren und Knechten. Einst sei er seinem Geschmack
gefolgt, mm der Pflicht. Chris Mann^ schließt sich dem an. Auch er
rechnet die Tugendlehre erst von Buch II an und stellt insbesondere
fest, daß zwischen der mkW der Hofzucht und der der Sittenlehre keine
Brücks geschlagen sei.
in ihrer Entgegnung auf Schönbachs Anfänge des Ms., 8tudi Mäiev»ll 1
(1904) 623. .
ZDA. 56 (1919) ISOff.
 
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