MAX MAYRSHOFER.
Mayrshofer — das ist die Feinheit der Kraft, die Delikatesse der Stärke.
Ich betrachte ein Blatt seiner herrlichen, kernigen Frauenakte, Torsi von antiker
Pracht, durch eine lachend frische Kontur und ein paar delikate Wischtöne zu höchster
Körperlichkeit gebracht. Und ich staune, wie jede Wendung, jedes An- und Abschwellen
des Striches voll Leben und Erlebnis steckt. Wie ist das hineingeheimnißt ? Jeder Ton, jede
Linie atmet Empfindung, schwillt von sublimem Gefühl. Und alles das von einer frappanten
unerhörten Beherrschtheit der Mache. Da gibt es keine reizvollen Unwillkürlichkeiten, keine
netten Entgleisungen. Alles ist gewollt und bedacht, studiert und gekonnt, erlebt und gefühlt.
Es ist ein Gipfel der Feinheit und ein Gipfel der Disziplin. Es ist ein Maximum an feinnerviger
Empfindung bei einer über alle Nervosismen erhabenen, imponierenden Ruhe der Hand.
Worauf diese schöne und seltene Verbindung bei Mayrshofer beruht ? Ich glaube, größ-
tenteils auf so einfachen und schier mechanischen Dingen wie Studium und — ja, es ist so —
Ähnlich Mayrshofer.
Die wunderbare Fertig-
keit und Schlagkraft sei-
nes zeichnerischen Aus-
druckes sind das Ergeb-
nis emsiger Übung. Wenn
ein Motiv ihn interessiert
sei es das stumpfe Glänzen
starrer Taftseide oder die
Entwicklung einer land-
schaftlichen Perspektive
oderdasplumpe,breiteDa-
liegen massigen Weiber-
fleisches oder die tolle, ver-
zwirbelte Bewegung eines
Wahnsinnigen sowirder
nicht müde, es immer wie-
der zu Papier zu bringen.
Unablässig wird der Aus-
druck gefeilt und zuge-
spitzt, bis jeder Strich und
jeder Schatten ein knappes, treffendes Apergu ist. Gerade die Arbeiten, die der Laie für den ersten
genialen Wurf einer glücklichen Stunde hält, verdanken ihre Reife und Knappheit lediglich
solcher Ausdauer und Übung. So jene Häufung halbnackten männlichen und weiblichen
Gesindels, die in ihrer prallen, derben Komik für Mayrshofer besonders charakteristisch ist
— ich glaube, daß es der Künstler mit Variationen wenigstens hundertmal gezeichnet hat.
Als Mayrshofers zweiten Helfer habe ich seine körperliche Kraft genannt. In des
Künstlers „Atelier“, das man durch einen interessanten, kaminartigen Aufgang erreicht,
lehnt in einer verräucherten Ecke eine Eisenkeule, ein Ding von sehr respektablem Ge-
wicht. Das hebt dieses Künstlers feine, geistreiche Hand, nur an einem Ende gefaßt, ge-
streckten Armes vom Boden auf. Ich behaupte, daß allein diese Kraft, die besonders in
der Hand sitzt, die ungeheure Beseelung und Disziplinierung des Mayrshofer’schen Striches
erklärt. Nur eine starke Fland ist ein so gehorsames, präzises Werkzeug, wie es beispiels-
weise Mayrshofers Pinsel-Tuschzeichnungen voraussetzen.
Eine starke Fland, gewiß, aber man weiß nicht, ob man nicht noch mehr als ihre
Kraft ihren Geist rühmen soll.
auf körperlicher Kraft.
Studium: Von einem
berühmten japanischen
Künstler wird erzählt, daß
er, als man ihn fragte,
ob er eine Zwiebel zeich-
nen könnte, verneinend
geantwortet habe. Aber
nach ein paar Tagen, als
ihn einer der Fragenden
besuchte, sagte er: „Nun
kann ich es,“ und wies
ein Blatt vor, das ein vor
zügliches Porträt des ein-
fachen Objektes enthielt.
Zugleich öffnete er eine
Truhe, die da stand, und
diese Truhe war bis oben
gefüllt mit Blättern, und
jedes dieser Blätter ent-
hielt eine — Studie für
die Zwiebelzeichnung.
Da gibt es von Mayrshofer eine große Anzahl landschaftlicher Zeichnungen, die
aus der jüngsten Zeit stammen. Sie sind ganz aufgebaut auf geistreichem Andeuten, auf
knappen, treffenden Bonmots. Alle diese krausen Striche und Strichelchen, diese Punkte,
Linien und Wischtöne sind von prickelnder Beredsamkeit und von tadelloser geistiger Eleganz.
Mayrshofer — das ist die Feinheit der Kraft, die Delikatesse der Stärke.
Ich betrachte ein Blatt seiner herrlichen, kernigen Frauenakte, Torsi von antiker
Pracht, durch eine lachend frische Kontur und ein paar delikate Wischtöne zu höchster
Körperlichkeit gebracht. Und ich staune, wie jede Wendung, jedes An- und Abschwellen
des Striches voll Leben und Erlebnis steckt. Wie ist das hineingeheimnißt ? Jeder Ton, jede
Linie atmet Empfindung, schwillt von sublimem Gefühl. Und alles das von einer frappanten
unerhörten Beherrschtheit der Mache. Da gibt es keine reizvollen Unwillkürlichkeiten, keine
netten Entgleisungen. Alles ist gewollt und bedacht, studiert und gekonnt, erlebt und gefühlt.
Es ist ein Gipfel der Feinheit und ein Gipfel der Disziplin. Es ist ein Maximum an feinnerviger
Empfindung bei einer über alle Nervosismen erhabenen, imponierenden Ruhe der Hand.
Worauf diese schöne und seltene Verbindung bei Mayrshofer beruht ? Ich glaube, größ-
tenteils auf so einfachen und schier mechanischen Dingen wie Studium und — ja, es ist so —
Ähnlich Mayrshofer.
Die wunderbare Fertig-
keit und Schlagkraft sei-
nes zeichnerischen Aus-
druckes sind das Ergeb-
nis emsiger Übung. Wenn
ein Motiv ihn interessiert
sei es das stumpfe Glänzen
starrer Taftseide oder die
Entwicklung einer land-
schaftlichen Perspektive
oderdasplumpe,breiteDa-
liegen massigen Weiber-
fleisches oder die tolle, ver-
zwirbelte Bewegung eines
Wahnsinnigen sowirder
nicht müde, es immer wie-
der zu Papier zu bringen.
Unablässig wird der Aus-
druck gefeilt und zuge-
spitzt, bis jeder Strich und
jeder Schatten ein knappes, treffendes Apergu ist. Gerade die Arbeiten, die der Laie für den ersten
genialen Wurf einer glücklichen Stunde hält, verdanken ihre Reife und Knappheit lediglich
solcher Ausdauer und Übung. So jene Häufung halbnackten männlichen und weiblichen
Gesindels, die in ihrer prallen, derben Komik für Mayrshofer besonders charakteristisch ist
— ich glaube, daß es der Künstler mit Variationen wenigstens hundertmal gezeichnet hat.
Als Mayrshofers zweiten Helfer habe ich seine körperliche Kraft genannt. In des
Künstlers „Atelier“, das man durch einen interessanten, kaminartigen Aufgang erreicht,
lehnt in einer verräucherten Ecke eine Eisenkeule, ein Ding von sehr respektablem Ge-
wicht. Das hebt dieses Künstlers feine, geistreiche Hand, nur an einem Ende gefaßt, ge-
streckten Armes vom Boden auf. Ich behaupte, daß allein diese Kraft, die besonders in
der Hand sitzt, die ungeheure Beseelung und Disziplinierung des Mayrshofer’schen Striches
erklärt. Nur eine starke Fland ist ein so gehorsames, präzises Werkzeug, wie es beispiels-
weise Mayrshofers Pinsel-Tuschzeichnungen voraussetzen.
Eine starke Fland, gewiß, aber man weiß nicht, ob man nicht noch mehr als ihre
Kraft ihren Geist rühmen soll.
auf körperlicher Kraft.
Studium: Von einem
berühmten japanischen
Künstler wird erzählt, daß
er, als man ihn fragte,
ob er eine Zwiebel zeich-
nen könnte, verneinend
geantwortet habe. Aber
nach ein paar Tagen, als
ihn einer der Fragenden
besuchte, sagte er: „Nun
kann ich es,“ und wies
ein Blatt vor, das ein vor
zügliches Porträt des ein-
fachen Objektes enthielt.
Zugleich öffnete er eine
Truhe, die da stand, und
diese Truhe war bis oben
gefüllt mit Blättern, und
jedes dieser Blätter ent-
hielt eine — Studie für
die Zwiebelzeichnung.
Da gibt es von Mayrshofer eine große Anzahl landschaftlicher Zeichnungen, die
aus der jüngsten Zeit stammen. Sie sind ganz aufgebaut auf geistreichem Andeuten, auf
knappen, treffenden Bonmots. Alle diese krausen Striche und Strichelchen, diese Punkte,
Linien und Wischtöne sind von prickelnder Beredsamkeit und von tadelloser geistiger Eleganz.