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Thiersch, Hermann
"Tyrrhenische" Amphoren: eine Studie zur Geschichte der altattischen Vasenmalerei — Beiträge zur Kunstgeschichte, N.F., 27: Leipzig, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.21981#0123
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— 109

beiden Geschlechtern betrifft, so scheint mir dieser auf der koloristi-
schen Verschiedenheit der Silhouette zu beruhen, auf welche die
Augen zu stehen kommen: Der männliche Körper wird schwarz, der
weibliche weiss gemalt. Die runde Pupille ist das Hauptstück
vom Auge. Sie wird zuerst hingesetzt. Auf dem schwarzen Grund
muss sie graviert werden: eine Kreislinie. Auf dem weissen
muss sie als dunkle Scheibe aufgesetzt werden; eine gravierte
Kreislinie, wie auf dem schwarzen Grund, würde hier gar nicht
wirken. Nun ist aber die Pupille noch nicht das ganze Auge. Zu
seiner vollen Charakteristik fehlt noch das Längliche der Lidspalte.
Auf dem schwarzen Grund geschah zu diesem Zwecke zweierlei:
die erste und primitivste Art das Längliche der Augenerscheinung
wiederzugeben war die, an die gravierte Kreislinie zwei horizon-
tale, ebenfalls gravierte, kurze Striche anzusetzen: eine abstrahierende
Abkürzung für die elliptische Linie der Wirklichkeit, die oben
und unten das Rund der Pupille tangierend wenig auffiel, an
den beiden Seiten aber als winkelbildend nicht zu übersehen
war. Die andere Art, welche von der Wirklichkeit noch mehr
absieht und nichts weiter ist als Gedankenlosigkeit und ein träges
Kleben am Gegebenen, folgt mechanisch mit dem Stift dem Zug
des bereits gegebenen Pupillenrundes und zieht einfach eine zweite
Kreislinie um die erste, die seitlichen horizontalen Strichansätze
können dabei gänzlich fehlen. Nun steht die Pupille in ihrer Um-
rahmung, freilich in einer von unwahrer Form. — Erst später werden
beide Kreislinien auf die Pupille selbst bezogen und die Lidspalte
durch kleine Winkel mit sorgfältig ausgekratztem Firnisgrund zu
beiden Seiten deutlich charakterisiert. So bei Exekias, Amasis etc.
Auf den tyrrhenischen Gefässen kommt dies noch nicht vor.

Das weibliche Auge aber hat die richtige, mandelförmige
Lidspalte! und das männliche nicht! wie kommt das? — Die dunkle
Scheibe der Pupille sitzt hier auf weissem Grund. Eine gravierte
konzentrische Kreislinie um den Augenstern wie beim männlichen
Auge wäre wieder wirkungslos gewesen. — Die Umgebung der Pupille
in Wirklichkeit ist weiss. Was war einfacher, als dass man von der
hier ohnehin schon weiss angelegten Umgebung soviel absonderte und
mit einer bestimmten Linie umgrenzte, als es ungefähr der Wirk-
lichkeit entsprach? Und warum sollte man hierzu eine andere Um-
 
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