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Thiersch, Hermann
Pharos: Antike, Islam und Occident ; ein Beitrag zur Architekturgeschichte — Leipzig, Berlin, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.6241#0051
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Die nacliantiken Quellen

2. Das Mosaik der Capella San Zen in Venedig

Eine höchst willkommene Darstellung des Pharos, und zwar des mittelalterlichen, ist uns erhalten in den Mosaiken
der Capella San Zen in San Marco zu Venedig. Diese Mosaiken sind zwar später ausgebessert worden, gehen aber
in ihrer alten Schicht bis ins Ende des 11. Jahrhunderts zurück. Dargestellt ist die Lebensgeschichte des heiligen
Markus, darunter auch seine Fahrt nach Alexandria, wo er einen Schuhmacher heilt. Zur Charakterisierung der Stadt
dient das Bild des Pharos, und zwar in einer Gestalt, welche eine gewisse Ortskenntnis seitens des Künstlers oder
Auftraggebers voraussetzt. Den Venezianern muß der Turm in dieser Gestalt bekannt gewesen sein, was bei ihren
sonstigen Beziehungen zu Alexandria nicht Wunder nehmen kann. Und zwar ist es genau eben die Gestalt, welche
der Pharos im 10. und 11. Jahrhundert gehabt haben muß. Vom 12. Jahrhundert ab sah er, wie unten dargetan werden
wird, anders aus, und ebenso war er auch vorher anders gestaltet. Das ergibt sich mit Sicherheit aus den arabischen

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Abb. 51. Mosaik in der Capella San Zen (S. Marco in Venedig): Szenen aus der Legende des heil. Markus (nach Phot. Alinari).

Berichten. Ich glaube daher dieses Bild des Pharos der alten, ursprünglichen Schicht im Mosaik zuschreiben zu
dürfen, wie dies anscheinend auch sonst stillschweigend angenommen wird.

Der Turm ist in drei horizontalen Absätzen abgestuft und als Quaderbau gekennzeichnet. Das oberste Geschoß
ist deutlich zylindrisch und mit einer wie in Ziegeln eingedeckten Kuppel gekrönt. Bei dem mittleren Stockwerk fehlt
die Fugenandeutung. Den Sockel unten bilden zwei flache Stufen. Zur Eingangstüre, die oben einen Rundbogen hat
und vergittert ist, führt eine besondere Freitreppe empor. Das Gesims der beiden Terrassen wird von zahnschnitt-
artigem Fries getragen; diese sind durch ein hohes, gerades Stangengeländer mit Knöpfen auf den Eckpfosten eingefaßt.
Auf die erste Terrasse mündet eine Türe mit geradem Sturz, die Fenster sind rundbogig oder haben die Form kreis-
runder Lucken. Das Bild steht also in allem Wesentlichen in Übereinstimmung mit der Darstellung des Pharos auf
den alexandrinischen Münzen: das Quaderwerk, die zwei Stockwerke mit den horizontalen Absätzen, das unterste Ge-
schoß viereckig, das oberste zylindrisch, unten die Sockelstufen, die hochliegende Tür mit dem Treppenaufgang; es ist
alles wie dort auf den Münzen. Verschwunden dagegen ist die bekrönende Statue und der figürliche Schmuck der
Terrassenbrüstung. Bei aller Gleichartigkeit mit der antiken Erscheinung ist es also klar, daß dem Mosaikbilde nicht
mehr der intakte antike Bau, sondern eine mittelalterliche Phase desselben zugrunde liegt, d. h. die schon angedeutete
erste arabische Renovation, deren Bestand sich, wie gezeigt werden wird, vom Ende des 9. bis zum Ende des 11. Jahr-
hunderts festlegen läßt. Durch sie war die antike dreigeschossige Gestalt des Pharos wiederhergestellt und oben darauf
eine schilderhausartige Kapelle (Kubba) angebracht worden. Auch das Mosaik scheint diese zu kennen.

Das Bild ist natürlich nur relativ ein genaues, mehr Schriftbild, als realistische Darstellung des Turmes. Auf Rechnung
dieser nur ungefähren Richtigkeit müssen wahrscheinlich einige nebensächliche Züge gesetzt werden, wie Gestalt und Ver-
teilung der Fenster und die steife Form des Geländers. Davon abgesehen aber ist das venezianer Mosaik die wert-

m Wim
 
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