Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Thiersch, Hermann
Pharos: Antike, Islam und Occident ; ein Beitrag zur Architekturgeschichte — Leipzig, Berlin, 1909

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.6241#0093
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Orientierimg des Kastells Kait-bey

77

Vor allem ist zu unterscheiden zweierlei: der massive Kernbau, der Donjon, das eigentliche Kastell, und die einen
unregelmäßig viereckigen Hof umrahmende weite Umwallung mit Tor und Türmen. Beides zusammen macht das
heutige Fort aus, für beide Teile kann jetzt schon antiker Ursprung nachgewiesen werden.

a) Das Kastell

1. Es ist ziemlich genau nach den Himmelsrichtungen orientiert, was allein schon auf antiken Ursprung
und einen einst als Fernwarte dienenden Bau hinweisen kann. Bei einem Gebäude, das als Richtungszeichen erbaut
worden ist, ist es sehr wahrscheinlich, daß man zur Beobachtung der Windrichtungen selbst eine genaue Orientierung
eingehalten hat.

Eine genaue Vermessung des Pharoskastells verdanken wir den beiden Astronomen der napoleonischen Armee,
Nouet und Quesnot. Vgl. Description de l'Egypte tom. XVIII, 389 ff. Sie haben den Bau zum Ausgangspunkt gemacht
ihrer Bestimmung der genauen Lage Alexandrias (L.: 27° 35' 30" Br. 31° 13' 5") und geben (p. 397) als westliche
Deklination 13° 6' an, als Inklination 47° 30'. Wie auch auf den beiden großen Plankarten von Alexandria, die Gratien
le Pere gezeichnet hat (Ant. vol. V, 31; Et. mod. II, 84), deutlich zu sehen ist, hält das Kastell also so ziemlich, wenn
auch nicht genau die Nordrichtung ein. Von dieser ist es ein wenig nach Südosten hin abgedreht, verschoben.

Aller Wahrscheinlichkeit nach ist diese unbedeutende Abweichung von der genauen NS-Achse erst eine durch die
Araber herbeigeführte, also nachantike, nicht ursprüngliche. Diese Vermutung wird bestätigt durch die Beobachtung
eines englischen Architekten, die aus der Zeit unmittelbar vor dem Bombardement von 1882 herrührt. Da die wichtige,
fast unbeachtet gebliebene Notiz — erwähnt nur von Butler, The Arab Conquest p. 398 — an schwer zugänglicher
Stelle steht, wiederhole ich sie hier nach einer durch John P. Peters in New York freundlichst besorgten Abschrift. Sie
steht in: „The American Architect and Building News", vol. XII no. 348 (26. August 1882), p. 101-2:

„The Castle of Pharos

One of the buildings destroyed at Alexandria was the Castle of the Pharos, which was practically the only spe-
cimen of Arab mediaeval architecture in the city. 1t stood on the side of the celebrated light-house, by the ancient
name of which it was still commonly known. Mr. H. C. Kay says that being at Alexandria in the spring of last
year he desired to Visit the building, and was fortunate enough to obtain permission to do so, which for a long time
past had been rarely granted. His object, apart from motives of interest in the old building itself, was to ascertain,
if possible, whether any signs could be discerned of its having been erected on the actual foundations of its more
ancient and renowned predecessor. Mr. Kay's inspection was necessarily a very superficial one, but as far as it could
go, it confirmed him in the belief that some such indications are actually to be detected, and he noticed in a parti-
cular spot, near one of the corners of the building, where the wall could be perceived to run in a direction not
widely but distinctly different from that of the presumably original foundation, with which it formed
a gradually divergent angle. The Pharos was still in existence in A. D. 1326. It became a complete ruin between
that date and A. D. 1349. The present building was erected by the Egyptian Sultan Kait-Bey, who reigned from
A. D. 1468 to 1496. It may readily be presumed that, according to the uniform practice of the East, the ground conti-
nued until that time encumbered with the ruins of its predecessor. The name and title of Kait-Bey were imperfectly
but unmistakably legible on one of two much decayed limestone tablets over the entrance gate. The latter was roughly
formed by three massive blocks of granite, two of which, standing erect, served as jambs on either side, with the
third forming a lintel across the top, the whole presenting a peculiarly Egyptian appearance. A wide passage, turning
at an abrupt right angle to the left, gave access to a small mosque, consisting of an hypaethral court, with four arched
recesses, one of which contained the kiblah and pulpit. The slight deviation of the walls of the Castle from
the lines of the ancient foundations may possibly have been made for the express purpose of placing
the mosque in the true line of direction towards Mecca.

mittel zwischen den großen Quadern. Dies Stück sichtbarer Mauer ist teilweise verputzt und läßt nicht allzu viel sehen; das Steinmaterial ist
Kalkstein. - Ich habe noch ein besonderes Augenmerk gerichtet auf den Verlauf des Fugenschnittes beim Zusammenstoßen der Stirnseiten des
hier durchschnittenen Ganggewölbes mit der Fassadenmauer des Donjons. Die Steine des Gewölbes stoßen an allen Stellen, wo das Mauer-
werk in den Ecken zutage tritt, gegen die Fassadenmauer, ohne in diese einzubinden; die Fassadenmauer würde also demnach mit dem Schräg-
profil als Sockelvorsprung auf ganze Länge durchgegangen sein. Dasselbe Schrägprofil mit 40—42 cm Vorsprung tritt auch wirklich an den
Ecktürmen wieder zutage, ungefähr in derselben Höhe wie der Schrägsockel an jener Stelle der Ostseite. Die Turmmauer wäre demnach als
der ursprüngliche, frühere Teil anzusehen und das Gewölbe, daran sich anlehnend und am Turm sich schneidend, als spätere Konstruktion mit
1,03 m Vorsprung davor gebaut. Im Erdgeschoßgrundriß (Tafel V) habe ich dies leicht einpunktiert. Unmittelbar über dem Schrägsockel ist
schon die vorerwähnte Trommel eingemauert, was auf arabische Konstruktion deuten dürfte. Am Südost-Turm sind in der Höhe des Schräg-
sockels, wie auch aus Abb. 62 ersichtlich, einige Quadern herausgebrochen, und ganz schlechtes Füllmauerwerk und schlechter Mörtel treten
zutage, die sehr auf arabische Arbeit zu deuten scheinen. Am S-W-Turm sind runde Stein-Trommeln schon im Schrägsockel eingemauert.*)
- Betreffs der Aufnahmen möchte ich noch beifügen, daß ich bei den oft krummen und windschiefen Laibungen und Kanten des Gebäudes
mich bemüht habe Mittelmaße zu nehmen, da zwei Messungen an ungefähr demselben Ort oft um einige Zentimeter differierten. Die Höhen
sind nivelliert vom Meer bis zum Eingang in die Moschee; die Böden der einzelnen Gemächer sind oft etwas uneben, ein mittleres Maß ist
auch hier angenommen, besonders im ersten Stock und auf der Plattform, wo überall viel Schutt auf dem Boden liegt."

*) Da diese runden Ecktürme jedenfalls zweifellos arabisch sind, besagt dieser Umstand nichts Entscheidendes für das Alter des vier-
eckigen Kernbaues selbst, an dessen Konstruktion ihr Sockel angeglichen sein kann.
 
Annotationen