Die Komposition und ihre Quellen
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Wir hören Zwiegespräche zweier Väter mit ihren Söhnen, deren
einer verdammt, der andere aufgenommen wird. Vergeblich sucht
Salomon Michael zu Mitleid zu bewegen. Es folgt die Zurück-
weisung pharisäischer Geistlicher durch den „erzürnten" Petrus,
gottloser Bettler durch den hl. Franz, betrügerischer Kaufleute durch
den hl. Nikolaus, heuchlerischer Disciplinati durch den hl. Hiero-
nymus, lasziver Frauen durch Magdalena. Alle Sünder insgesamt
flehen Maria um ihre Fürsprache an; sie antwortet:
El mio figliuol tanto turbato veggio
Verso di voi che pregar non lo voglio;
°^i e quel di ch'n suo tribunal seggio
Delibera punir vostro rigoglio:
Passato e 'l tempo: che mai piü non chieggio
Veruna grazia per voi com' io soglio,
Perche ne' vostri orechi al mondo avesti
Questo di del giudicio, e nol temesti.
Worauf Christus „mit erzürntem Antlitz und schrecklicher Stimme"
den Verdammten ihre Sünden vorwirft. Die folgende Szene stellt
die sieben Todsünden den Tugenden gegenüber. In Wechsel-
gesprächen treten auf der Hochmüthige und der Demüthige, der
Neidische und der Barmherzige, der Zornige und der Sanftmüthige,
der Träge und der zum Guten Eifrige, der Geizige und der Wohl-
thätige, der Schlemmer und der Enthaltsame, der Wollüstige und
der Keusche. Ein Engel gebietet San Bernardino, diesen Sündern
ihre Laster vorzuhalten. Zum Schluss ruft Christus die Gesegneten
mit den Worten der Bibel zu sich und sendet die Gottlosen in
das ewige Feuer. Calcabrin bringt die letzteren zu Minos:
Ecco, o Minos, el maledetto seme
Che vinto dalle nostre tentazioni
Vengono a star dove sempre si gerne
In pianti, martir, duoli e passioni;
E noi con loro abiteremo insieme:
Questi trovammo spartiti da' buoni,
Giudica tu il luogo ov' hanno a stare
Secondo le cagion del lor peccare.
Minos übergiebt sie den Dämonen, die jedem der durch Todsünden
Schuldigen seinen Platz verkündigen, worauf der Engel mit einem
Epilog die Zuschauer entlässt.
Eine direkte Beeinflussung Michelangelos durch das Gedicht
anzunehmen ist nicht geboten, wohl aber, die Analogieen mit dem
Gemälde hervorzuheben:
I. Die Stellung, die Belcari, an Dante anknüpfend, dem Minos
ertheilt hat.
2. Dessen Auftrag an Calcabrin.
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Wir hören Zwiegespräche zweier Väter mit ihren Söhnen, deren
einer verdammt, der andere aufgenommen wird. Vergeblich sucht
Salomon Michael zu Mitleid zu bewegen. Es folgt die Zurück-
weisung pharisäischer Geistlicher durch den „erzürnten" Petrus,
gottloser Bettler durch den hl. Franz, betrügerischer Kaufleute durch
den hl. Nikolaus, heuchlerischer Disciplinati durch den hl. Hiero-
nymus, lasziver Frauen durch Magdalena. Alle Sünder insgesamt
flehen Maria um ihre Fürsprache an; sie antwortet:
El mio figliuol tanto turbato veggio
Verso di voi che pregar non lo voglio;
°^i e quel di ch'n suo tribunal seggio
Delibera punir vostro rigoglio:
Passato e 'l tempo: che mai piü non chieggio
Veruna grazia per voi com' io soglio,
Perche ne' vostri orechi al mondo avesti
Questo di del giudicio, e nol temesti.
Worauf Christus „mit erzürntem Antlitz und schrecklicher Stimme"
den Verdammten ihre Sünden vorwirft. Die folgende Szene stellt
die sieben Todsünden den Tugenden gegenüber. In Wechsel-
gesprächen treten auf der Hochmüthige und der Demüthige, der
Neidische und der Barmherzige, der Zornige und der Sanftmüthige,
der Träge und der zum Guten Eifrige, der Geizige und der Wohl-
thätige, der Schlemmer und der Enthaltsame, der Wollüstige und
der Keusche. Ein Engel gebietet San Bernardino, diesen Sündern
ihre Laster vorzuhalten. Zum Schluss ruft Christus die Gesegneten
mit den Worten der Bibel zu sich und sendet die Gottlosen in
das ewige Feuer. Calcabrin bringt die letzteren zu Minos:
Ecco, o Minos, el maledetto seme
Che vinto dalle nostre tentazioni
Vengono a star dove sempre si gerne
In pianti, martir, duoli e passioni;
E noi con loro abiteremo insieme:
Questi trovammo spartiti da' buoni,
Giudica tu il luogo ov' hanno a stare
Secondo le cagion del lor peccare.
Minos übergiebt sie den Dämonen, die jedem der durch Todsünden
Schuldigen seinen Platz verkündigen, worauf der Engel mit einem
Epilog die Zuschauer entlässt.
Eine direkte Beeinflussung Michelangelos durch das Gedicht
anzunehmen ist nicht geboten, wohl aber, die Analogieen mit dem
Gemälde hervorzuheben:
I. Die Stellung, die Belcari, an Dante anknüpfend, dem Minos
ertheilt hat.
2. Dessen Auftrag an Calcabrin.