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Thode, Henry; Michelangelo; Michelangelo [Mitarb.]
Michelangelo: kritische Untersuchungen über seine Werke; als Anhang zu dem Werke Michelangelo und das Ende der Renaissance (Band 2) — Berlin: Grote, 1908

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Das Jüngste Gericht

Signorelli vorkommen) und vielleicht die Idee zur Gruppe der am
Rosenkranz Emporgezogenen. Statt die vielfache Abhängig-
keit der Phantasie Michelangelos von Dante zu ge-
wahren, lernt man vielmehr bei einem genauen Vergleich mit
immer wachsendem Staunen bei dem Künstler, diesem grossen
Kenner des Dichters, die unbeirrbare schöpferische
Selbstständigkeit bewundern, die ihn statt zu einem Nach-
folger, zu einem Rivalen des Sängers der Göttlichen Komödie
machte. Der Bildner, weil er den Gesetzen seiner Kunst folgte,
hielt sich frei von der Nachahmung des Dichters. Dies hob richtig
schon der Rezensent des Harford'schen Buches in der Quarterly
Review 1858 (Bd. 103, 460) hervor: „No stronger evidence can be
given of the distinctness between the materials suitable to Pain-
ting and Poetry than the instinct with which Michael Angelo
avoided embodying any of those fearful details which impart
such pitiless reality to the pages of Dante." Ältere Motive der
Kunst verwerthend, aber zu den ursprünglichen Quellen der In-
spiration, den biblischen Schriften, zurückkehrend, setzte er, ,,a guisa
d'un Dante pittore", wie Lomazzo (Idea 98) trefflich sagt, an Stelle
des Traditionellen ein gewaltiges, ganz ihm eigenes Neues.
Hierbei mag, wie es schon Kallab gethan, darauf hingewiesen
werden, dass die furchtbare Betonung der Rache, die der zürnende
Gott nimmt, im Geiste der Savonarola'schen Predigten lag und
auch bei Bernardino Ochino sich geltend macht. Auch möchte ich
an ein volksthümliches Drama der Zeit, die „Rappresentazione del
di del giudizio" Feo Belcaris erinnern. Einiges in dieser Dich-
tung erscheint beachtenswerth, weil mit dem Fresko übereinstimmend
(Feo Belcari: Le Rappresentazioni, Florenz 1833, S. 119—I$5)-
Nachdem ein Engel einen Prolog gesprochen, erweckt durch
dreimaligen Posaunenruf der Engel die Todten, und Minos, der
den Teufeln befiehlt, bereit zu sein, schickt Einen, den Calcabrin
(Dante entlehnt), aus, die Verdammten zu holen.

Dunque tu, Calcabrin, senza dimoro
Muoviti, e va' lä dove e' maladetti
Dal sommo Padre del superno coro
Si troveran partiti dagli eletti,
E sia la guida di tutti costoro
A qui condurre i malvagi capretti,
De' qua' faremo asprissimo governo
Con varie pene dentro al fuoco eterno.

Hierauf befiehlt Christus den Engeln, die Scheidung vor-
zunehmen. Der Erzengel Michael, der den Befehl ausgeführt hat,
weist nach einer Diskussion einen Heuchler aus, um dann, im Streit
mit einem Teufel, den Kaiser Trajan zu den Seligen zu führen.
 
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