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Statuen und Entwürfe zu solchen
Maria zu sehr. Aber auch für eine Ansicht von rechts her
ist die Gruppe nicht berechnet, da dann Magdalena nicht in
der Fläche bleibt, sondern, gleichsam perspektivisch gesehen,
hinter Christus verschwindet. Die Komposition war also ihrer
Anlage nach nicht gelungen, und hieran war im Verlaufe der
Arbeit Nichts mehr zu ändern.
2. Magdalena ist in viel kleineren Verhältnissen als die anderen
Figuren gegeben.
3. Es bleibt eine Unklarheit in den Bewegungen. Sowohl das
rechte Bein, als der rechte Arm der Maria sind unsichtbar.
4. Für das linke Bein Christi ist gar kein Platz vorhanden; es
müsste durch den Schooss der Maria hindurchgehen. Die ein-
zige Möglichkeit, es anzubringen, wäre die gewesen, es vorne
über Marias Bein herunterhängen zu lassen. Man sieht, in
welche Verlegenheit der Künstler versetzt war: in der That
ist von dem Bein nur ein kurzer Stumpf sichtbar. Ein Loch
in dessen Mitte verräth, dass der Künstler wohl an den Aus-
weg gedacht, ein über Marias Schenkel herabhängendes Bein
einzusetzen. Dies hätte aber eine nicht nur unschöne, sondern
unmögliche Stellung ergeben. Unschön, denn das Bein, der
Arm der Maria und der Arm Christi hätten in ihrer Zusammen-
drängung den Eindruck des Gehäuften und in den Linien
Verwirrten hervorgebracht.
So begreift man die Verzweiflung des Künstlers an der Voll-
endung des Werkes und steht zugleich staunend vor dem Wunder-
baren stille, dass trotz aller dieser Fehler der Eindruck ein gewaltiger
und erschütternder ist. Vasaris Angabe, dass der Künstler Niko-
demus seine eigenen Züge habe verleihen wollen, zu bezweifeln,
sehe ich keinen Grund. Eine begreiflicher Weise nur allgemeine
Ähnlichkeit ist zu finden.
Eine kleine Marmorfigur, wundervoll gearbeitet, den todten
Christus in den Armen des Nikodemus (oder Joseph von Arimathia)
darstellend, wurde im XVIII. Jahrhundert im Palazzo Giustiniani
als Werk Michelangelos gezeigt (Richardson III, 257. Volkmann II,
467).
IV
Die Pietä im Palazzo Rondanini
Eine zweite Gruppe der Pietä wird von Vasari erwähnt, nach-
dem er die Schicksale der ersten erzählt. „Und um zu Michel-
angelo zurückzukehren, so sah sich Dieser, um täglich Zeit mit
Meisseln zu verbringen, genöthigt, eine andere Arbeit in Marmor
Statuen und Entwürfe zu solchen
Maria zu sehr. Aber auch für eine Ansicht von rechts her
ist die Gruppe nicht berechnet, da dann Magdalena nicht in
der Fläche bleibt, sondern, gleichsam perspektivisch gesehen,
hinter Christus verschwindet. Die Komposition war also ihrer
Anlage nach nicht gelungen, und hieran war im Verlaufe der
Arbeit Nichts mehr zu ändern.
2. Magdalena ist in viel kleineren Verhältnissen als die anderen
Figuren gegeben.
3. Es bleibt eine Unklarheit in den Bewegungen. Sowohl das
rechte Bein, als der rechte Arm der Maria sind unsichtbar.
4. Für das linke Bein Christi ist gar kein Platz vorhanden; es
müsste durch den Schooss der Maria hindurchgehen. Die ein-
zige Möglichkeit, es anzubringen, wäre die gewesen, es vorne
über Marias Bein herunterhängen zu lassen. Man sieht, in
welche Verlegenheit der Künstler versetzt war: in der That
ist von dem Bein nur ein kurzer Stumpf sichtbar. Ein Loch
in dessen Mitte verräth, dass der Künstler wohl an den Aus-
weg gedacht, ein über Marias Schenkel herabhängendes Bein
einzusetzen. Dies hätte aber eine nicht nur unschöne, sondern
unmögliche Stellung ergeben. Unschön, denn das Bein, der
Arm der Maria und der Arm Christi hätten in ihrer Zusammen-
drängung den Eindruck des Gehäuften und in den Linien
Verwirrten hervorgebracht.
So begreift man die Verzweiflung des Künstlers an der Voll-
endung des Werkes und steht zugleich staunend vor dem Wunder-
baren stille, dass trotz aller dieser Fehler der Eindruck ein gewaltiger
und erschütternder ist. Vasaris Angabe, dass der Künstler Niko-
demus seine eigenen Züge habe verleihen wollen, zu bezweifeln,
sehe ich keinen Grund. Eine begreiflicher Weise nur allgemeine
Ähnlichkeit ist zu finden.
Eine kleine Marmorfigur, wundervoll gearbeitet, den todten
Christus in den Armen des Nikodemus (oder Joseph von Arimathia)
darstellend, wurde im XVIII. Jahrhundert im Palazzo Giustiniani
als Werk Michelangelos gezeigt (Richardson III, 257. Volkmann II,
467).
IV
Die Pietä im Palazzo Rondanini
Eine zweite Gruppe der Pietä wird von Vasari erwähnt, nach-
dem er die Schicksale der ersten erzählt. „Und um zu Michel-
angelo zurückzukehren, so sah sich Dieser, um täglich Zeit mit
Meisseln zu verbringen, genöthigt, eine andere Arbeit in Marmor