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Mythol. und allegor. Gemälde, Zeichnungen, Entwürfe
falsches Glück zielenden Schützen auf sie gerichtet? Der Ausweg,
den der Künstler aus dem Dilemma suchte, war ein seltsamer.
Er deutet durch den Schild, der die edlen Theile der Figur, Brust
und Kopf, deckt, an, dass das höchste Gute der sinnlichen Begierde
unerreichbar ist; nur in die unedlen Weichtheile des Bauches dringt
ein Pfeil. Nur sinnliche Wollust, nicht wahres Glück gewinnt der
vom flügellosen Amor Getriebene!
Könnte mir noch ein Zweifel an der Richtigkeit dieser Er-
klärung geblieben sein, so würde er mir durch die überraschende
Thatsache genommen werden, dass Symonds, der jene litterarischen
Quellen der Darstellung nicht kannte, bloss aus deren Betrachtung
auf die ganz gleiche Deutung geführt wurde. Er sagt, wie übrigens
ähnlich in Kürze auch Passerini (Bibliografia di M., S. 165): the
allegory seems to imply, that happiness is not to be attained as
human beings mostly strife to seize it, by the fierce force of the
carnal passions. It is the contrast between celestial love asleep in
lustful souls, and vulgär love inflaming tyrannous appetites. Und
er zitirt die letzte Strophe aus dem Sonett Michelangelos: „Non e
sempre di colpa aspra e mortale" (Guasti LIII. Frey LXXXXI.
Thode II, 261):
L'un tira al cielo, e l'altro in terra tira;
Nell' alma l'un, l'altro abita ne' sensi.
E l'arco tira a cose basse e vile.
Wie aber ist, so wird man fragen, mit dem Allen jenes auf
Lucian weisende Wort an der Medaille des Alessandro Farnese in
Einklang zu bringen? Ich meine: einfach aus einer thatsächlichen,
irrthümlichen Beziehung der Michelangelo'schen Komposition auf
die Stelle im Nigrinus durch irgend einen nicht unterrichteten Er-
klärer. Oder man nehme an, was vielleicht gesucht erscheint, aber
doch sehr natürlich wäre und mir wahrscheinlich ist: das Homerische
Wort: „triff so" ist auf die Michelangelo'sche Darstellung ange-
wandt worden, in dem Sinne: „richte dein Trachten auf das höchste
Gut." Dies passt doch noch besser auf den Revers der Medaille
des Kardinals, als ein „triff so" in dem Sinne: „triff mit dem rechten
Wort die Seele des Menschen", obgleich auch dies denkbar wäre. —
Dass die nun sicher gefundene Deutung der Bogenschützen in
hohem Grade dafür spricht, dass auch diese Zeichnung für Cavalieri
bestimmt war, wird Keinem entgehen.
XIII
Die Herkulesthaten
Die herrliche Röthelzeichnung mit drei Herkulesthaten
in Windsor (Thode 536. Ber. 1611. Phot. Br. 108. Abb. Ber.
Mythol. und allegor. Gemälde, Zeichnungen, Entwürfe
falsches Glück zielenden Schützen auf sie gerichtet? Der Ausweg,
den der Künstler aus dem Dilemma suchte, war ein seltsamer.
Er deutet durch den Schild, der die edlen Theile der Figur, Brust
und Kopf, deckt, an, dass das höchste Gute der sinnlichen Begierde
unerreichbar ist; nur in die unedlen Weichtheile des Bauches dringt
ein Pfeil. Nur sinnliche Wollust, nicht wahres Glück gewinnt der
vom flügellosen Amor Getriebene!
Könnte mir noch ein Zweifel an der Richtigkeit dieser Er-
klärung geblieben sein, so würde er mir durch die überraschende
Thatsache genommen werden, dass Symonds, der jene litterarischen
Quellen der Darstellung nicht kannte, bloss aus deren Betrachtung
auf die ganz gleiche Deutung geführt wurde. Er sagt, wie übrigens
ähnlich in Kürze auch Passerini (Bibliografia di M., S. 165): the
allegory seems to imply, that happiness is not to be attained as
human beings mostly strife to seize it, by the fierce force of the
carnal passions. It is the contrast between celestial love asleep in
lustful souls, and vulgär love inflaming tyrannous appetites. Und
er zitirt die letzte Strophe aus dem Sonett Michelangelos: „Non e
sempre di colpa aspra e mortale" (Guasti LIII. Frey LXXXXI.
Thode II, 261):
L'un tira al cielo, e l'altro in terra tira;
Nell' alma l'un, l'altro abita ne' sensi.
E l'arco tira a cose basse e vile.
Wie aber ist, so wird man fragen, mit dem Allen jenes auf
Lucian weisende Wort an der Medaille des Alessandro Farnese in
Einklang zu bringen? Ich meine: einfach aus einer thatsächlichen,
irrthümlichen Beziehung der Michelangelo'schen Komposition auf
die Stelle im Nigrinus durch irgend einen nicht unterrichteten Er-
klärer. Oder man nehme an, was vielleicht gesucht erscheint, aber
doch sehr natürlich wäre und mir wahrscheinlich ist: das Homerische
Wort: „triff so" ist auf die Michelangelo'sche Darstellung ange-
wandt worden, in dem Sinne: „richte dein Trachten auf das höchste
Gut." Dies passt doch noch besser auf den Revers der Medaille
des Kardinals, als ein „triff so" in dem Sinne: „triff mit dem rechten
Wort die Seele des Menschen", obgleich auch dies denkbar wäre. —
Dass die nun sicher gefundene Deutung der Bogenschützen in
hohem Grade dafür spricht, dass auch diese Zeichnung für Cavalieri
bestimmt war, wird Keinem entgehen.
XIII
Die Herkulesthaten
Die herrliche Röthelzeichnung mit drei Herkulesthaten
in Windsor (Thode 536. Ber. 1611. Phot. Br. 108. Abb. Ber.