Der Apollo oder David für Baccio Valori
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lockerung und Zerstückelung des Volumens eine möglichst reiche
Figur herauszubringen. So würde Michelangelo den Dornauszieher
nach seinem Sinn gemacht haben." Eine ausführlichere Würdigung
widmete Carl Frey der Statue (Allgemeine Zeitung 1905, Nr. 276,
277. Beilage. Italienische Übersetzung von Aldo Foratti: di una
statua di M.; Padova 1906. Biogr. Mich. I, S. jiqff.). Er setzt sie
in die Zeit des römischen Aufenthaltes 1497, noch vor den Bacchus
und die Pieta: es sei vielleicht die Figur, die Michelangelo „zu
seinem eigenen Vergnügen" machte (Brief 19. August 1497). Doch
sei auch 1500 denkbar. Auch er glaubt, dass der „Dornauszieher"
den Künstler angeregt habe. Der Knabe habe offenbar einen starken
Schmerz empfunden und bemühe sich, dessen Ursache zu beseitigen.
Die auch mögliche Auffassung, er versuche sich zu erheben und
die Sandale anzulegen, bleibe willkürlich, da die unausgeführte Parthie
das Motiv nicht erkennen lasse. Den Gedanken, die Gestalt sei
vielleicht als Brunnenfigur gedacht, hat Frey neuerdings aufgegeben.
Der zeitlichen Ansetzung des Werkes durch Frey vermag ich
nicht beizustimmen. Die mächtige Formensprache und die Intensität
der Bewegung scheint mir auf eine spätere Zeit hinzudeuten. Ob
auf die ganz späte, wie Knapp will, oder etwa die der Medici-
gräber, scheint mir unmöglich zu bestimmen. Ich glaube das
letztere. Knapp hält es für denkbar, dass Michelangelo durch den
1538 gefundenen „Schleifer" „zu diesem Bravourstück animirt
worden sei". Dies dünkt mich wenig wahrscheinlich.
IX
Der Apollo oder David für Baccio Valori
„Um sich Baccio Valori zum Freund zu machen, begann Michel-
angelo eine Marmorfigur, drei Ellen hoch, nämlich einen Apollo,
der einen Pfeil aus dem Köcher zieht, und machte sie fast fertig;
heute befindet sie sich im Zimmer des Herzogs von Florenz, ein
Werk von seltener Schönheit, obgleich es nicht ganz vollendet ist."
(Vasari, II. Auflage.) In der ersten Auflage nannte Vasari die
Statue eine „figuretta", ohne anzugeben, dass sie im Besitze Cosi-
mos sei. Michelangelo hat sich im Herbst 1530 mit der Arbeit
beschäftigt. Sie wird in einem Briefe Valoris an den Meister er-
wähnt (Datum ungewiss: Frey glaubt April 1532, ich nehme an:
Februar 1531). „Bezüglich meiner Figur will ich Euch nicht drängen,
denn ich bin dessen ganz gewiss: bei der Liebe, die Ihr für mich
habt, bedarf es keines Drängens." (Frey: Briefe, S. 324.)
In dem Inventar der Kunstschätze Cosimos I., das Cosimo Conti
publizirt hat (La prima Reggia di Cosimo, Florenz 1893. I, 35),
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lockerung und Zerstückelung des Volumens eine möglichst reiche
Figur herauszubringen. So würde Michelangelo den Dornauszieher
nach seinem Sinn gemacht haben." Eine ausführlichere Würdigung
widmete Carl Frey der Statue (Allgemeine Zeitung 1905, Nr. 276,
277. Beilage. Italienische Übersetzung von Aldo Foratti: di una
statua di M.; Padova 1906. Biogr. Mich. I, S. jiqff.). Er setzt sie
in die Zeit des römischen Aufenthaltes 1497, noch vor den Bacchus
und die Pieta: es sei vielleicht die Figur, die Michelangelo „zu
seinem eigenen Vergnügen" machte (Brief 19. August 1497). Doch
sei auch 1500 denkbar. Auch er glaubt, dass der „Dornauszieher"
den Künstler angeregt habe. Der Knabe habe offenbar einen starken
Schmerz empfunden und bemühe sich, dessen Ursache zu beseitigen.
Die auch mögliche Auffassung, er versuche sich zu erheben und
die Sandale anzulegen, bleibe willkürlich, da die unausgeführte Parthie
das Motiv nicht erkennen lasse. Den Gedanken, die Gestalt sei
vielleicht als Brunnenfigur gedacht, hat Frey neuerdings aufgegeben.
Der zeitlichen Ansetzung des Werkes durch Frey vermag ich
nicht beizustimmen. Die mächtige Formensprache und die Intensität
der Bewegung scheint mir auf eine spätere Zeit hinzudeuten. Ob
auf die ganz späte, wie Knapp will, oder etwa die der Medici-
gräber, scheint mir unmöglich zu bestimmen. Ich glaube das
letztere. Knapp hält es für denkbar, dass Michelangelo durch den
1538 gefundenen „Schleifer" „zu diesem Bravourstück animirt
worden sei". Dies dünkt mich wenig wahrscheinlich.
IX
Der Apollo oder David für Baccio Valori
„Um sich Baccio Valori zum Freund zu machen, begann Michel-
angelo eine Marmorfigur, drei Ellen hoch, nämlich einen Apollo,
der einen Pfeil aus dem Köcher zieht, und machte sie fast fertig;
heute befindet sie sich im Zimmer des Herzogs von Florenz, ein
Werk von seltener Schönheit, obgleich es nicht ganz vollendet ist."
(Vasari, II. Auflage.) In der ersten Auflage nannte Vasari die
Statue eine „figuretta", ohne anzugeben, dass sie im Besitze Cosi-
mos sei. Michelangelo hat sich im Herbst 1530 mit der Arbeit
beschäftigt. Sie wird in einem Briefe Valoris an den Meister er-
wähnt (Datum ungewiss: Frey glaubt April 1532, ich nehme an:
Februar 1531). „Bezüglich meiner Figur will ich Euch nicht drängen,
denn ich bin dessen ganz gewiss: bei der Liebe, die Ihr für mich
habt, bedarf es keines Drängens." (Frey: Briefe, S. 324.)
In dem Inventar der Kunstschätze Cosimos I., das Cosimo Conti
publizirt hat (La prima Reggia di Cosimo, Florenz 1893. I, 35),