Die Bogenschützen
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in dem ein Nachklang der Puttenspiele an der Sixtinischen Decke
zu vernehmen ist, erhebt die Darstellung dem Gehalt nach in ein
höheres Gedankenbereich.
XII
Die Bogenschützen
Ob auch die „Saettatori", wie Vasari sie nennt, für Cavalieri an-
gefertigt wurden, wissen wir nicht. Man hat es angenommen. Jeden-
falls gehört die herrliche Röthelzeichnung, die in Windsor
aufbewahrt wird (Thode 538. Ber. 1613. Abb. Ber. Taf. CXXXIX.
Symonds I, 298. Phot. Br. 111), der Behandlung nach in diese
Zeit. Das auf der Rückseite verzeichnete Datum 1530, 12. April
sagt nichts Bestimmtes über die genaue Zeit der Entstehung aus.
Dargestellt ist eine Gruppe von sechs jugendlichen nackten
Gestalten, die in lebhafter Bewegung nach rechts, theils laufend,
theils in der Luft schwebend, Pfeile abschiessen oder abgeschossen
haben (von Bögen, die der Künstler nicht ausgeführt hat), und von
drei anderen, vor ihnen befindlichen, von denen der eine kniet,
die beiden anderen auf den Boden gefallen sind. Das Ziel ist eine
Herme: der aus einem Pfeiler erwachsende Oberkörper eines schönen,
ernsten Jünglings, der über der rechten Schulter ein chlamysartiges
Gewandstück trägt und vor dem Angriff durch einen ovalen Schild
geschützt ist. In diesen sind einige Pfeile eingedrungen, ein ver-
einzelter ist, wie es scheint, in den Bauch des Jünglings gefahren.
Im Vordergrund links von der Herme liegt der geflügelte Amor
schlafend den Kopf auf ein Kissen gelegt, im Schoosse den Bogen,
vor sich den Köcher mit Pfeilen. Ganz links unter dem letzten
Bogenschützen knieen zwei flügellose Kinder: das vordere, vor-
gebeugt über ein Bündel Holz, bläst eine Flamme über Pfeilen
an, das hintere, auch ein Bündel oder einen Blasebalg in dem
Arme, scheint ihm zu helfen. Vor der Flamme vorn steht eine
antikische Schale. Zwei andere Knaben mengen sich, der eine
oben, der andere in der Mitte, in die Schaar der Schützen. Deren
Zuge folgt links oben ein Alter mit satyrhaften Zügen, der, von
einem Gewand umweht, im Begriff ist, einen Bogen zu spannen.
Die nackten Bogenschützen sind nicht alle männlich, die hinterste
schwebende Gestalt in dem Zuge ist deutlich durch die Haartracht
und Brust als Frau gekennzeichnet, und auch bezüglich der Figur
im Hintergrund oben ganz rechts könnte man im Zweifel sein, ob
sie nicht weiblich gedacht ist.
Das Blatt ist oben und rechts am Rande etwas beschnitten,
so dass man einerseits das Ende des Bogens, welchen der Alte
hält, sowie den obern Theil des Schädels der Herme und andrer-
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in dem ein Nachklang der Puttenspiele an der Sixtinischen Decke
zu vernehmen ist, erhebt die Darstellung dem Gehalt nach in ein
höheres Gedankenbereich.
XII
Die Bogenschützen
Ob auch die „Saettatori", wie Vasari sie nennt, für Cavalieri an-
gefertigt wurden, wissen wir nicht. Man hat es angenommen. Jeden-
falls gehört die herrliche Röthelzeichnung, die in Windsor
aufbewahrt wird (Thode 538. Ber. 1613. Abb. Ber. Taf. CXXXIX.
Symonds I, 298. Phot. Br. 111), der Behandlung nach in diese
Zeit. Das auf der Rückseite verzeichnete Datum 1530, 12. April
sagt nichts Bestimmtes über die genaue Zeit der Entstehung aus.
Dargestellt ist eine Gruppe von sechs jugendlichen nackten
Gestalten, die in lebhafter Bewegung nach rechts, theils laufend,
theils in der Luft schwebend, Pfeile abschiessen oder abgeschossen
haben (von Bögen, die der Künstler nicht ausgeführt hat), und von
drei anderen, vor ihnen befindlichen, von denen der eine kniet,
die beiden anderen auf den Boden gefallen sind. Das Ziel ist eine
Herme: der aus einem Pfeiler erwachsende Oberkörper eines schönen,
ernsten Jünglings, der über der rechten Schulter ein chlamysartiges
Gewandstück trägt und vor dem Angriff durch einen ovalen Schild
geschützt ist. In diesen sind einige Pfeile eingedrungen, ein ver-
einzelter ist, wie es scheint, in den Bauch des Jünglings gefahren.
Im Vordergrund links von der Herme liegt der geflügelte Amor
schlafend den Kopf auf ein Kissen gelegt, im Schoosse den Bogen,
vor sich den Köcher mit Pfeilen. Ganz links unter dem letzten
Bogenschützen knieen zwei flügellose Kinder: das vordere, vor-
gebeugt über ein Bündel Holz, bläst eine Flamme über Pfeilen
an, das hintere, auch ein Bündel oder einen Blasebalg in dem
Arme, scheint ihm zu helfen. Vor der Flamme vorn steht eine
antikische Schale. Zwei andere Knaben mengen sich, der eine
oben, der andere in der Mitte, in die Schaar der Schützen. Deren
Zuge folgt links oben ein Alter mit satyrhaften Zügen, der, von
einem Gewand umweht, im Begriff ist, einen Bogen zu spannen.
Die nackten Bogenschützen sind nicht alle männlich, die hinterste
schwebende Gestalt in dem Zuge ist deutlich durch die Haartracht
und Brust als Frau gekennzeichnet, und auch bezüglich der Figur
im Hintergrund oben ganz rechts könnte man im Zweifel sein, ob
sie nicht weiblich gedacht ist.
Das Blatt ist oben und rechts am Rande etwas beschnitten,
so dass man einerseits das Ende des Bogens, welchen der Alte
hält, sowie den obern Theil des Schädels der Herme und andrer-