Die Pieta im Dom zu Florenz
273
III
Die Pietä im Dom zu Florenz
Die Gruppe wird zuerst von Vasari in seiner ersten Ausgabe
erwähnt: „auch befindet sich in seinem Hause abozzirt ein Marmor
mit vier Figuren, unter denen ein Christus vom Kreuze genommen
ist, ein Werk, von dem man glauben möchte, käme es vollendet
auf die Nachwelt, würde es alle seine anderen Werke in der
schwierigen Kunst, aus diesem Steine eine so vollkommene Gruppe
zu gestalten, übertreffen."
Die Arbeit ist demnach vor 1550 begonnen worden. Es war
offenbar das Werk, an dem Blaise de Vigenere 1550 den Meister
so furios arbeiten sah. Im Jahre 1553 ist er mit ihm beschäftigt,
denn Condivi erzählt:
„Augenblicklich hat er ein Marmorwerk unter den Händen,
das er zu seiner eigenen Freude macht, als Einer, der so voll an
Einfällen und Kraft ist, dass jeder Tag Etwas gebiert. Dies ist eine
Gruppe von überlebensgrossen Figuren, nähmlich ein vom Kreuz
genommener Christus, der todt von seiner Mutter aufrecht erhalten
wird. Man sieht, wie sie in wunderbarer Bewegung mit ihrer Brust,
den Armen und den Knieen den Leichnam umschmiegt, unter der
Beihülfe des Nikodemus, der, aufrecht und fest auf der Füssen
stehend, mit starker Kraft ihn unter den Armen hält, und der einen
der Marien auf der linken Seite. Diese, so grosses Leid sie ver-
räth, widmet sich doch jenem Dienst, den vor äusserstem Leid die
Mutter nicht erfüllen kann. Christus kraftlos, alle Glieder gelöst,
sinkt nieder, aber in einer Stellung, die von derjenigen, welche
Michelangelo in dem Werke für die Marchesa von Pescara gab, und
von der Madonna della Febbre (Pietä in S. Peter) sehr verschieden
ist. Die Schönheit und die Affekte, die man in den leidensvollen,
traurigen Angesichtern, vor Allem der bekümmerten Mutter gewahrt,
zu schildern, ist unmöglich; darum genug hiervon. Sagen aber
muss ich, dass das Werk zu den seltensten und mühevollsten ge-
hört, die er bisher gemacht, namentlich weil alle Figuren deutlich
zu sehen sind, obgleich sich die Gewänder der einen mit denen der
anderen vermengen."
Über die weiteren Schicksale des Werkes unterrichtet uns
Vasari, der seine Beschreibung Condivi entnimmt und über die Ver-
anlassung nur hinzufügt, der Meister habe die Arbeit unternommen,
weil er Nichts zu malen hatte und behauptete, die körperliche An-
strengung des Meisselns erhalte seinen Körper gesund. Er habe
die Gruppe für sein eigenes Grabmal, das er, wie wir später ver-
nehmen, für S. Maria Maggiore bestimmte, unterhalb des Altares
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Die Pietä im Dom zu Florenz
Die Gruppe wird zuerst von Vasari in seiner ersten Ausgabe
erwähnt: „auch befindet sich in seinem Hause abozzirt ein Marmor
mit vier Figuren, unter denen ein Christus vom Kreuze genommen
ist, ein Werk, von dem man glauben möchte, käme es vollendet
auf die Nachwelt, würde es alle seine anderen Werke in der
schwierigen Kunst, aus diesem Steine eine so vollkommene Gruppe
zu gestalten, übertreffen."
Die Arbeit ist demnach vor 1550 begonnen worden. Es war
offenbar das Werk, an dem Blaise de Vigenere 1550 den Meister
so furios arbeiten sah. Im Jahre 1553 ist er mit ihm beschäftigt,
denn Condivi erzählt:
„Augenblicklich hat er ein Marmorwerk unter den Händen,
das er zu seiner eigenen Freude macht, als Einer, der so voll an
Einfällen und Kraft ist, dass jeder Tag Etwas gebiert. Dies ist eine
Gruppe von überlebensgrossen Figuren, nähmlich ein vom Kreuz
genommener Christus, der todt von seiner Mutter aufrecht erhalten
wird. Man sieht, wie sie in wunderbarer Bewegung mit ihrer Brust,
den Armen und den Knieen den Leichnam umschmiegt, unter der
Beihülfe des Nikodemus, der, aufrecht und fest auf der Füssen
stehend, mit starker Kraft ihn unter den Armen hält, und der einen
der Marien auf der linken Seite. Diese, so grosses Leid sie ver-
räth, widmet sich doch jenem Dienst, den vor äusserstem Leid die
Mutter nicht erfüllen kann. Christus kraftlos, alle Glieder gelöst,
sinkt nieder, aber in einer Stellung, die von derjenigen, welche
Michelangelo in dem Werke für die Marchesa von Pescara gab, und
von der Madonna della Febbre (Pietä in S. Peter) sehr verschieden
ist. Die Schönheit und die Affekte, die man in den leidensvollen,
traurigen Angesichtern, vor Allem der bekümmerten Mutter gewahrt,
zu schildern, ist unmöglich; darum genug hiervon. Sagen aber
muss ich, dass das Werk zu den seltensten und mühevollsten ge-
hört, die er bisher gemacht, namentlich weil alle Figuren deutlich
zu sehen sind, obgleich sich die Gewänder der einen mit denen der
anderen vermengen."
Über die weiteren Schicksale des Werkes unterrichtet uns
Vasari, der seine Beschreibung Condivi entnimmt und über die Ver-
anlassung nur hinzufügt, der Meister habe die Arbeit unternommen,
weil er Nichts zu malen hatte und behauptete, die körperliche An-
strengung des Meisselns erhalte seinen Körper gesund. Er habe
die Gruppe für sein eigenes Grabmal, das er, wie wir später ver-
nehmen, für S. Maria Maggiore bestimmte, unterhalb des Altares
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