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Thode, Henry; Michelangelo; Michelangelo [Contr.]
Michelangelo: kritische Untersuchungen über seine Werke; als Anhang zu dem Werke Michelangelo und das Ende der Renaissance (Band 2) — Berlin: Grote, 1908

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382 Mythol. und allegor. Gemälde, Zeichnungen, Entwürfe

bei der Gestaltung des Fresko kamen. Aus dem Traum eines in
Sünde und Schuld verstrickten, an die Erde gefesselten Lebens
wird der Mensch durch den, eine Vergeltung verkündenden Ruf
aus höherem Reiche erweckt. Heuchelei und Trug dieser Welt
verschwindet — die Masken werden abgelegt, wie Augustus in einem
schon oben (I, S. 518) zitirten Worte, den Schluss des Lebens mit
dem des Schauspiels vergleichend, gesagt hat. Über der furcht-
baren Erkenntniss des Weltenwahnes erhebt sich die Gewissheit
eines höheren Daseins.
Einzelne Beziehungen zu anderen Werken dürfen hervorge-
hoben werden, so in der Stellung des Jünglings zum Adam in der
Erschaffung und zu dem für Sebastianos Gemälde entworfenen La-
zarus, in dem hockenden Schläfer zu den Trauernden in Entwürfen
für die Medicigräber (auf dem Kranzgesims), in dem Engel zu
dem Phaeton in der Zeichnung der Akademie zu Venedig.
XVII
Zeichnungen zu Dantes Divina Commedia, angeblich von
Michelangelo
Die Nachricht von einer Illustration Dantes taucht erst im
XVIII. Jahrhundert auf, und zwar zuerst, was bisher nicht beachtet
wurde, in einem Briefe, den Monsignore Bottari am 8. April 1747
von Rom aus an Gori, anlässlich von Dessen eben erschienener
Condiviausgabe, geschrieben hat (Fanfani, Spigolatura Michelangio-
lesca, 1876, S. 82). ,,Um zu beweisen, wie sehr Michelangelo Dante
studirt, könnte man anführen, dass er mit der Feder zu jedem Ge-
sänge in einer alten Ausgabe mit dem Kommentar des Landino, die
auf grosse Bogen mit sehr breitem Rand gedruckt ist, die Figuren
gezeichnet. Dieser unschätzbare Kodex kam in die Hände Antonio
Montautis, der ihn wie ein Kleinod von unermesslichem Werthe be-
wahrte. Und als er sich hier in Rom niedergelassen, liess er ihn mit
aller seiner anderen Habe und einem jungen Diener hierher kommen.
Der geringeren Kosten wegen liess er Alles auf dem Meerwege
kommen, und Alles ging unter." Diese Notiz brachte Bottari dann
1 760 als Anmerkung in seiner Vasariausgabe (III, p. 252), und die
Erzählung ward allgemein angenommen. Erst F. X. Kraus im
„Dante" (Berlin 1897, S. 618) äusserte sich, und zwar mit vollem
Rechte, skeptisch. Es erscheint schwer denkbar, dass weder Vasari
noch Condivi noch Varchi noch irgend ein anderer Zeitgenosse
eine so interessante und werthvolle Arbeit des Meisters hätten un-
erwähnt lassen sollen. Und zudem hat Bottari jene Zeichnungen
 
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