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Thode, Henry; Michelangelo; Michelangelo [Contr.]
Michelangelo: kritische Untersuchungen über seine Werke; als Anhang zu dem Werke Michelangelo und das Ende der Renaissance (Band 2) — Berlin: Grote, 1908

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Zeichnungen zu Dantes Divina Commedia, angeblich von Michelangelo 383

selbst gar nicht gesehen, sondern berichtet nur, was der Besitzer
des Kodex ihm gesagt.
Auch ist keine Studie unter den Handzeichnungen bekannt, die
auf eine solche Arbeit hinweise. Berenson zwar hielt es für möglich,
dass Skizzen „liegender und kriechender Figuren" auf einem Blatte
im British Museum (1859—6—25 —565; Thode 308; Fagan XVI;
Ber. 1508; Phot. Br. 8) im Zusammenhange mit jenen Illustrationen
stünden und speziell auf eine Stelle im Purgatorio IV, 103—108
sich bezögen, aber eine bestimmte Deutung in diesem Sinne ist
gewiss nicht möglich. Die Stelle schildert „zur Bekehrung Träge"
und lautet:
et ivi eran persone
Che si stavano all'ombra dietro al sasso,
Come l'uom per negghienza a star si pone
Ed un di lor che mi sembrava lasso,
Sedeva ed abbracciava le ginocchia
Tenendo ’1 viso giü tra esse basso.
Dargestellt auf der Zeichnung sind fünf neben einander sitzende
Figuren: links eine auf den Arm sich stützende Frau, ein Kind
neben sich, das sie nach links weist, dann vom Rücken gesehen
ein Mann mit gesenktem Haupt wie schlafend, weiter, Diesen an-
schauend, eine kleinere Figur, deren Kopf fast wie der eines Affen
wirkt, und endlich rechts ein trübsinniger oder stumpf blickender
Jüngling, den Rücken gegen eine Erhöhung gelehnt, das linke Bein
aufgestemmt, die Arme im Schoosse.
Man sieht, es ist kein unbedingter Hinweis auf jene „pigri" zu
finden. Die sich in den Haltungen ausdrückende Müdigkeit und
Trauer veranlasste Steinmann zu der Meinung, es seien Studien zu
einer Stichkappe in der Sixtina (speziell der Josiasgruppe, St. 51),
aber ich wies schon früher darauf hin (I, S. 265), dass auch dies nicht
mit Sicherheit zu behaupten sei. Auch scheint mir das Blatt später
anzusetzen, in die Zeit des Jüngsten Gerichtes: man sehe den rechts
unten befindlichen Mann. Hätte dann doch Fagan Recht, wenn er
Studien für dieses Fresko hier gewahrt? Ich halte es nicht für
wahrscheinlich: es könnte sich nur um Auferstehende handeln, und
Diesen entspricht Art und Stimmung der Komposition nicht. Ich
weiss keine Erklärung.
Beiläufig zu bemerken ist, dass K. Eitner im Deutschen Kunst-
blatt 1857, VIII, p. 373 und 385 eine den III. Gesang der Hölle
illustrirende Zeichnung, angeblich von Michelangelo, bespricht. Den
Namen des Besitzers nennt er nicht (vgl. Steinmann, S. 581, Anm. 4).
Eine solche ist heute nicht bekannt, und es ist wohl anzunehmen,
dass es sich um eines der vielen, fälschlich dem Meister zugeschrie-
benen Blätter handelt.
 
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