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Thode, Henry; Michelangelo; Michelangelo [Mitarb.]
Michelangelo: kritische Untersuchungen über seine Werke; als Anhang zu dem Werke Michelangelo und das Ende der Renaissance (Band 2) — Berlin: Grote, 1908

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Die Fortifikationsarbeiten 1529

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XIV
Die Fortifikationsarbeiten 1529
Über die Befestigungen des Hügels von S. Miniato, die Michel-
angelo zu seiner Hauptaufgabe gemacht, werden wir am Besten
durch eines militärischen Unbekannten „Breve Istorietta dell'assedio
di Firenze" (Cod. Magliabecchiano Nr. 622, Cl. XXV, c. 5—6), die von
Gotti zitirt wurde, unterrichtet. „Und auf die erste Besichtigung
hin machte er sich daran, den Hügel von S. Miniato und S. Fran-
cesco zu befestigen, und da ihm, bei der Form der von den
Medici 1526 und 1527 errichteten Bastionen, die Kosten, um auch
Giramonte mit einzuschliessen, zu gross erschienen, liess er seine
Bastionen beim ersten Thurm ausserhalb der Porta di San Miniato
gegen San Giorgio zu beginnen, in jener Anlage, die, später besser
befestigt, noch bis auf unsere Zeit fortdauert; mit wunderbarer
Geschwindigkeit schloss er durch zur Arbeit kommandirte Bauern
den Hügel mit Wällen ab, deren äussere Schale er mit rohen Back-
steinen aus gestampftem Thon, mit gehacktem Werg gemischt" —
man sieht: er wendet hier seine Erfahrungen als Bildner von
grossen Thonmodellen an — „bekleidete und die er innen immer
aus Erde und Reisig machte. Alle Gebäude ausserhalb der Stadt
wurden zerstört; und so bereitete sich die Stadt, die in den Jahren
1527 und 1528 eine grosse Pest durchgemacht, auf einen sehr
grossen und gefährlichen Krieg vor. Von Einigen ist es Michel-
angelo als Fehler vorgeworfen worden, dass er so viele Ecken und
Schiessscharten in seinen Schutzwehren gemacht, was er doch, von
den Bedingungen der Örtlichkeit genöthigt, gethan: aber ob dies
ein Fehler war, und was grössere Gefahr mit sich bringe: viele
Ecken und viele Schiessscharten an Festungen, oder wenige, wird
Einer, der Kenntnisse davon besitzt, sehr leicht beurtheilen können.
Was die Aufgabe eines guten Baumeisters ist, nämlich den Grund-
riss gut anzulegen und die Schutzwehren der Örtlichkeit anzupassen,
das hat er, auch hierin der tüchtigste von Allen, wunderbar ge-
than. Zu erkennen, von welcher Seite aus die Schutzwehren an-
gegriffen oder wie vertheidigt werden können, und welche Wirkung
in ihnen die Ecken und die Schiessscharten haben, das ist nicht
Aufgabe des Baumeisters, sondern des praktisch geschulten, tüch-
tigen Soldaten, der über Festungen nicht nur spekulirt, sondern
sie vertheidigt. Wenn es sich da um einen Fehler handelte, so
beging ihn Derjenige, der nicht dafür sorgte, ihm solche Männer
zur Seite zu geben. Aber was können blosse Kaufleute denn vom
Krieg verstehen, der eben so viel Übung verlangt, als alle anderen
Künste? Und um so grössere Erfahrung, je edler und gefährlicher
dies Handwerk ist!"

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