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Statuen und Entwürfe zu solchen
Volkmann bemerkt (I, 554): ein Engländer (der Earl of Sand-
wich), der ersichtlich vom Geist der Freiheit eingenommen war,
veränderte dieses Distychon in folgendes:
Brutum effecisset sculptor, sed mente recursat
Tanta viri virtus; sistit et abstinuit.
Wohl nicht auf die Büste, sondern auf eine antike Statue, be-
ziehen sich Verse des F. M. Molza, die ich des allgemeinen Inter-
esses wegen anführe (Poesie volgari e latine, Bergamo 1747, II, 182).
Ad Bruti statuam Romae
Ultorem venerare virum, quo vindice Roma
Sustulit, exactis regibus, ante caput.
Viveret effigies haec marmore ficta, liceret,
Extincta, Bruto vivere si, Patria.
Über die früheren Schicksale des Werkes sind wir nicht unter-
richtet. Im XVII. Jahrhundert befand es sich im Cortile der Medici-
villa La Petraja. (Steinmann und Pogatscher: Rep. für Kunstw.
XIX, S. 418). Im XVIII. Jahrhundert in der Grossherzoglichen
Sammlung, wo es in der Sala delle Iscrizioni aufbewahrt ward.
Von dort kam es in das Museo nazionale.
Die Richtigkeit der Angabe Vasaris, Michelangelo habe sich an
einen antiken Intaglio gehalten, ward von Springer und Portheim
bezweifelt, da sich keinerlei Verwandtschaft mit antiken Darstel-
lungen des Brutus zeigt. Sie tritt aber doch so bestimmt auf, dass
wenn auch nicht der geschnittene Kopf eines Brutus, so doch einer
anderen Persönlichkeit dem Meister vorgelegen haben dürfte. Mir
scheint, dass Michelangelo auch von Büsten des Caracalla inspirirt
worden ist. Dass Calcagni pietätvoll davon abgestanden ist, das
Werk zu berühren, scheint gewiss: die Handschrift Michelangelos
ist in der subtilen, ungemein lebendigen Behandlung des Marmors,
so wie es Vasari sagt, durchweg zu erkennen. Bezüglich der
elementaren Gewalt der Charakteristik sind sich alle Betrachter einig.
Guillaume vergleicht sie der Shakespeare'schen Kunst, der Eindruck
sei der eines leidenschaftlichen Redners. Nicht ein Politiker, nicht
ein Patrizier, sondern ein Tribun, ein Rienzi sei dargestellt. Klazcko
findet die Züge des gefesselten Sklaven wieder.
XI
Entwürfe zu einer Kolossalstatue für die Piazza:
Herkules und Antäus, Herkules und Kakus, Simson und
zwei Philister
i. Geschichtliches.
Am 10. Mai 1508 bat Pier Soderini den Marchese von Massa,
Alberigo Malaspina, einen Marmorblock zu reserviren, aus dem man
Statuen und Entwürfe zu solchen
Volkmann bemerkt (I, 554): ein Engländer (der Earl of Sand-
wich), der ersichtlich vom Geist der Freiheit eingenommen war,
veränderte dieses Distychon in folgendes:
Brutum effecisset sculptor, sed mente recursat
Tanta viri virtus; sistit et abstinuit.
Wohl nicht auf die Büste, sondern auf eine antike Statue, be-
ziehen sich Verse des F. M. Molza, die ich des allgemeinen Inter-
esses wegen anführe (Poesie volgari e latine, Bergamo 1747, II, 182).
Ad Bruti statuam Romae
Ultorem venerare virum, quo vindice Roma
Sustulit, exactis regibus, ante caput.
Viveret effigies haec marmore ficta, liceret,
Extincta, Bruto vivere si, Patria.
Über die früheren Schicksale des Werkes sind wir nicht unter-
richtet. Im XVII. Jahrhundert befand es sich im Cortile der Medici-
villa La Petraja. (Steinmann und Pogatscher: Rep. für Kunstw.
XIX, S. 418). Im XVIII. Jahrhundert in der Grossherzoglichen
Sammlung, wo es in der Sala delle Iscrizioni aufbewahrt ward.
Von dort kam es in das Museo nazionale.
Die Richtigkeit der Angabe Vasaris, Michelangelo habe sich an
einen antiken Intaglio gehalten, ward von Springer und Portheim
bezweifelt, da sich keinerlei Verwandtschaft mit antiken Darstel-
lungen des Brutus zeigt. Sie tritt aber doch so bestimmt auf, dass
wenn auch nicht der geschnittene Kopf eines Brutus, so doch einer
anderen Persönlichkeit dem Meister vorgelegen haben dürfte. Mir
scheint, dass Michelangelo auch von Büsten des Caracalla inspirirt
worden ist. Dass Calcagni pietätvoll davon abgestanden ist, das
Werk zu berühren, scheint gewiss: die Handschrift Michelangelos
ist in der subtilen, ungemein lebendigen Behandlung des Marmors,
so wie es Vasari sagt, durchweg zu erkennen. Bezüglich der
elementaren Gewalt der Charakteristik sind sich alle Betrachter einig.
Guillaume vergleicht sie der Shakespeare'schen Kunst, der Eindruck
sei der eines leidenschaftlichen Redners. Nicht ein Politiker, nicht
ein Patrizier, sondern ein Tribun, ein Rienzi sei dargestellt. Klazcko
findet die Züge des gefesselten Sklaven wieder.
XI
Entwürfe zu einer Kolossalstatue für die Piazza:
Herkules und Antäus, Herkules und Kakus, Simson und
zwei Philister
i. Geschichtliches.
Am 10. Mai 1508 bat Pier Soderini den Marchese von Massa,
Alberigo Malaspina, einen Marmorblock zu reserviren, aus dem man