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Lünette der Sixtina.

ls der junge Michelangelo zu Bertoldo in die Lehre kam, wies


ihn dieser erfahrene Meister, der sich für das erneute Studium

des Alterthumes entschieden hatte, auf die beiden einzigen

sicheren Ausgangspunkte des Schaffens: Donatello und die Antike,
hin. In der Leidenschaft seiner Seele Donatello tief innerlich ver-
wandt, aber dank seiner Schauenskraft der unvergleichlichen Bedeu-
tung des antiken Ideals sich voll bewußt, erfaßt der Genius, in dem
die Plastik allmächtig ist, als seine Lebensaufgabe die Schöpfung
eines monumentalen Stiles. Alle beengenden Bande abstreifend,
richtet er sein Streben einzig auf die Gestaltung der Schönheit des
menschlichen Leibes in der großen Statue und findet die höchste
Vollkommenheit im männlichen Nackten. Wie einst für den Griechen,
giebt es für ihn nur den Menschen; die ganze Welt anderer Er-
scheinungen ist künstlerisch für ihn nicht vorhanden. Und er bekennt
sich ästhetisch zur Ideenlehre Platons, weil diese, ein konzentrirter
Ausdruck der griechischen Kunst, nur bedingt der Malerei, recht
eigentlich aber der Skulptur entspricht. Sein plastisches Formgefühl
ist so stark, daß er das Relief, selbst das strenge, verschmäht, seine
Anschauung so ganz vom Typischen beherrscht, daß er das Por-
trät aus dem Bereiche seines Bildens ausschließt. So tritt er, alle
 
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