Der Künstler und seine Werke.
Von Leid und Noth des Erdenlebens schwer belastet, in gewalt-
samem Ringen und Kämpfen. Warum ein solches? Wir haben die
Antwort auf die Frage: weil der Schöpfer ein Christ war und in
sich den Zwiespalt zwischen Sinnlichkeit und Geist, Leib und Seele
erlebte. Für den Bildhauer bedeutete der Leib Alles, für den Er-
lösung Ersehnenden Alles die Seele. Das reine Schönheitsideal be-
dingte die Beschwichtigung aller Unruhe, ein maaßvolles Sich-
beschränken, des Christen Ausdrucksbedürfniss aber die Umsetzung
aller Ruhe in Bewegung, das Übermaaß eines unendlichen Strebens.
Eben dies drängende innere Erleben ist es, welches, nur durch
übermenschliche Verhältnisse zu veranschaulichen, die Formen ins
Ungeheuere steigerte, welches den Leib in der Anspannung der
Muskeln zum Bild der wirkenden Kraft machte, das Typische durch
die Betonung des Charakteristischen trübte, den Stil durch den
Naturalismus beeinträchtigte!
Mitten innen zwischen Antike und Christenthum steht diese
Welt von Gestalten: sie hat nicht die Sonnenschönheit des griechi-
schen Tages, sie hat nicht die ekstatische Glaubensinbrunst der
christlichen Nacht, aber die Erhabenheit eines kühnsten Wollens,
das Beides zu höherer Einheit zu verbinden trachtet, ist ihr zu eigen,
die Erhabenheit des Schicksales eines an seinem unermeßlichen
Unterfangen scheiternden Helden. Was er erschuf, gehörte, zwischen
Tag und Nacht, dem Reiche geheimnissvoller Dämmerung und
Leidens an; seine Aurora und sein Crepusculo in der Medicikapelle
sind uns die Deuterinnen. Und nur die Dämmerung eines nie er-
reichten Tages auch blieben die größten Pläne des Bildhauers.
Über alles Schönheitsverlangen siegte endlich die Seelensehn-
sucht. Der christliche moderne Mensch war die Wirklichkeit, der
antike ein Traumbild. Der Mythus des Plastikers verschwand, als
das Auge sich in jene Tiefen verlor, in denen das Übersinnliche
zur Gewißheit wird. Mit der Schilderung der Pieta und des Christus
am Kreuze endigte sein Schaffen.
Die Kunst Michelangelos ist der letzte heroische Akt der Tra-
gödie der christlichen Plastik.
Von Leid und Noth des Erdenlebens schwer belastet, in gewalt-
samem Ringen und Kämpfen. Warum ein solches? Wir haben die
Antwort auf die Frage: weil der Schöpfer ein Christ war und in
sich den Zwiespalt zwischen Sinnlichkeit und Geist, Leib und Seele
erlebte. Für den Bildhauer bedeutete der Leib Alles, für den Er-
lösung Ersehnenden Alles die Seele. Das reine Schönheitsideal be-
dingte die Beschwichtigung aller Unruhe, ein maaßvolles Sich-
beschränken, des Christen Ausdrucksbedürfniss aber die Umsetzung
aller Ruhe in Bewegung, das Übermaaß eines unendlichen Strebens.
Eben dies drängende innere Erleben ist es, welches, nur durch
übermenschliche Verhältnisse zu veranschaulichen, die Formen ins
Ungeheuere steigerte, welches den Leib in der Anspannung der
Muskeln zum Bild der wirkenden Kraft machte, das Typische durch
die Betonung des Charakteristischen trübte, den Stil durch den
Naturalismus beeinträchtigte!
Mitten innen zwischen Antike und Christenthum steht diese
Welt von Gestalten: sie hat nicht die Sonnenschönheit des griechi-
schen Tages, sie hat nicht die ekstatische Glaubensinbrunst der
christlichen Nacht, aber die Erhabenheit eines kühnsten Wollens,
das Beides zu höherer Einheit zu verbinden trachtet, ist ihr zu eigen,
die Erhabenheit des Schicksales eines an seinem unermeßlichen
Unterfangen scheiternden Helden. Was er erschuf, gehörte, zwischen
Tag und Nacht, dem Reiche geheimnissvoller Dämmerung und
Leidens an; seine Aurora und sein Crepusculo in der Medicikapelle
sind uns die Deuterinnen. Und nur die Dämmerung eines nie er-
reichten Tages auch blieben die größten Pläne des Bildhauers.
Über alles Schönheitsverlangen siegte endlich die Seelensehn-
sucht. Der christliche moderne Mensch war die Wirklichkeit, der
antike ein Traumbild. Der Mythus des Plastikers verschwand, als
das Auge sich in jene Tiefen verlor, in denen das Übersinnliche
zur Gewißheit wird. Mit der Schilderung der Pieta und des Christus
am Kreuze endigte sein Schaffen.
Die Kunst Michelangelos ist der letzte heroische Akt der Tra-
gödie der christlichen Plastik.