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I. Abschnitt.
anderer Kunst ergänzen, im Hauptsächlichen war er ein Nachfolger
seines Lehrers, dessen Einflüsse er nur langsam bei wachsender
Ausbildung seiner persönlichen Empfindungen und Vorstellungen
entwuchs. Durch ihre Genialität hellsichtig gemachte Persönlich-
keiten aber entdeckten, aus dem engen Umkreise der Werkstatt
hinausblickend, in edlen Schöpfungen früherer Zeiten Wegweiser
für die Gestaltung der von ihnen geahnten und ersehnten Ideale.
Mehr als irgend Einer Michelangelo. Einzig das Bedeutendste
fesselt ihn, nur in ihm erkennt er das seinem Wesen und Drange
Entsprechende. Indem er so, emsig studirend, aber mit Urtheil
der gesamten Vergangenheit gegenübertritt, löst er sich von den
engen Fesseln der Schultradition, hält er sich aller eigentlichen
Nachahmung, selbst dort, wo er an bestimmte Vorbilder anknüpft,
fern, bekennt er sich zu einem Zeitlosen, Unbedingten.
Ein Zögling der Genies und der Natur, erhebt er sich demzufolge
in seinem Streben schon als Knabe über die älteren Zeitgenossen
und persönlichen Rathgeber, noch ehe er Deren technische Fertig-
keiten sich zu eigen gemacht, und bewährt sich durch seine hohen
Intentionen als der werdende Rivale der Größten aller Zeiten. Nicht,
daß er zu Gunsten seiner Selbständigkeit alle Lehre verschmähte,
sondern daß er sie in einem anderen, weiteren Sinne faßte, ließ ihn
sogleich aus den Reihen der Übrigen hervortreten. Damit begann
für ihn Auszeichnung und Ruhm, aber auch das Wandern in Ein-
samkeit.
Das Außerordentliche seines Wesens, das, vom ersten Augen-
blick an erkannt, ihm seitens einzelner feinsinniger Kunstfreunde
Bewunderung und Aufmunterung, seitens mancher Künstler Neid
eintrug, wies ihm als sein Bereich das Erhabene an. Für die
Reize eines heiter-ernsten Spieles mit dem Reichthum der Einzel-
erscheinungen, wie es den meisten Quattrocentisten lieb war, be-
saß er keine Empfänglichkeit: feierliche Einfachheit der Form als
Künderin machtvollen Willens und geheimnissvollen Seelenlebens,
darauf stand sein Sinn.
Im XIV. Jahrhundert und an der Wende des XIV. und XV. Jahr-
hunderts fand er die Meister, denen er sich im Hindringen auf das
Wesentliche, auf einen strengen Stil der Darstellung verwandt fühlte
— es sind Dieselben, die wir heute allgemein als die Führenden
im Werdegang der Renaissance bewundern: Giotto und Giovanni
Pisano, Masaccio, Donatello und Quercia. Eine noch höhere
I. Abschnitt.
anderer Kunst ergänzen, im Hauptsächlichen war er ein Nachfolger
seines Lehrers, dessen Einflüsse er nur langsam bei wachsender
Ausbildung seiner persönlichen Empfindungen und Vorstellungen
entwuchs. Durch ihre Genialität hellsichtig gemachte Persönlich-
keiten aber entdeckten, aus dem engen Umkreise der Werkstatt
hinausblickend, in edlen Schöpfungen früherer Zeiten Wegweiser
für die Gestaltung der von ihnen geahnten und ersehnten Ideale.
Mehr als irgend Einer Michelangelo. Einzig das Bedeutendste
fesselt ihn, nur in ihm erkennt er das seinem Wesen und Drange
Entsprechende. Indem er so, emsig studirend, aber mit Urtheil
der gesamten Vergangenheit gegenübertritt, löst er sich von den
engen Fesseln der Schultradition, hält er sich aller eigentlichen
Nachahmung, selbst dort, wo er an bestimmte Vorbilder anknüpft,
fern, bekennt er sich zu einem Zeitlosen, Unbedingten.
Ein Zögling der Genies und der Natur, erhebt er sich demzufolge
in seinem Streben schon als Knabe über die älteren Zeitgenossen
und persönlichen Rathgeber, noch ehe er Deren technische Fertig-
keiten sich zu eigen gemacht, und bewährt sich durch seine hohen
Intentionen als der werdende Rivale der Größten aller Zeiten. Nicht,
daß er zu Gunsten seiner Selbständigkeit alle Lehre verschmähte,
sondern daß er sie in einem anderen, weiteren Sinne faßte, ließ ihn
sogleich aus den Reihen der Übrigen hervortreten. Damit begann
für ihn Auszeichnung und Ruhm, aber auch das Wandern in Ein-
samkeit.
Das Außerordentliche seines Wesens, das, vom ersten Augen-
blick an erkannt, ihm seitens einzelner feinsinniger Kunstfreunde
Bewunderung und Aufmunterung, seitens mancher Künstler Neid
eintrug, wies ihm als sein Bereich das Erhabene an. Für die
Reize eines heiter-ernsten Spieles mit dem Reichthum der Einzel-
erscheinungen, wie es den meisten Quattrocentisten lieb war, be-
saß er keine Empfänglichkeit: feierliche Einfachheit der Form als
Künderin machtvollen Willens und geheimnissvollen Seelenlebens,
darauf stand sein Sinn.
Im XIV. Jahrhundert und an der Wende des XIV. und XV. Jahr-
hunderts fand er die Meister, denen er sich im Hindringen auf das
Wesentliche, auf einen strengen Stil der Darstellung verwandt fühlte
— es sind Dieselben, die wir heute allgemein als die Führenden
im Werdegang der Renaissance bewundern: Giotto und Giovanni
Pisano, Masaccio, Donatello und Quercia. Eine noch höhere