Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
304

Zacharias. Die Erithraea.

Insichabgeschlossensein, die äussere Ruhe bei starker innerer Thätig-
keit findet ihren symbolischen Ausdruck in der Tracht und deren
Drapirung. Unmittelbar aus einer Studie nach der Wirklichkeit
hervorgegangen, gestattet uns die Gestalt, trotz der übermensch-
lichen Grösse ihrer Glieder, eine nähere menschliche Annäherung,
als ihre Genossen. Sie steht in nahem Zusammenhang mit dem
Leben, das in den Familienszenen der Lünetten geschildert wird,
und hätte wohl auch dort neben Mutter und Kind als Ahne ihren
Platz.
Wie ein Seitenstück zu ihr erscheint
Zacharias,
ein würdiger priesterlicher Greis mit hohem, kahlem Schädel und
langem, weichem Bart, in einen weiten, bequemen, hausväterischen
Rock gekleidet, den grossen Mantel in breitlagernden Falten um
den Unterkörper gezogen. Seine Erscheinung verräth eine in sich
gefestigte Natur von stoischem Gepräge, deren kraftvoller Geist in
langen Jahren sich das Denkvermögen ungeschwächt erhalten hat.
In ruhiger Sammlung, aber eifrigen Interesses voll durchblättert er
das in beiden Händen hochgehaltene Buch, hier und da bei einem
ihn besonders fesselnden Wort sinnig verweilend. Die beiden
Knaben, deren einer den Arm um den Hals des andern legt, ver-
halten sich auch hier schweigend und abwartend. Der vordere
stiert vor sich hin, der hintere schaut mit gesenktem Kopfe über
die Schulter des Alten, vielleicht in das Buch. Über dem Ganzen
schwebt etwas von der kontemplativen Stimmung, die wir in der
Zelle des hl. Hieronymus zu finden gewohnt sind. Dieser Prophet
könnte eben so gut ein Kirchenvater sein. Was in ihm vorgeht,
wäre als ein intensives, Hauptsachen überblickendes
Sichunterrichten zu bezeichnen.
In der Erkenntniss fortgeschritten, mit vergleichendem
Forschen beschäftigt, erscheint die
Erithraea,
die herrliche, Pallas Athene vergleichbare, in phantasievolle Tracht
gekleidete junge Frau, die in ihrem Gehaben die Würde eines
hohen, eines priesterlichen Amtes und in ihrem Blick inbrünstige
Plingebung verräth. (Studien zu ihr auf einem Blatt in London,
Verz. 337.) Sie befrägt das wohlvertraute Schicksalsbuch, das auf
 
Annotationen