Die Helden Typen des Menschenthumes.
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„Und vergeblich werden die grossen Grabmäler auf die
hochgesinnten Könige: den Tiber und den Arno warten.“ Es
hindert nichts daran, Porrinos Aussage für wohlbegründet zu er-
achten. —
So hat der Gedanke: „Todtenklage der Zeit um den Heros“ sich
erweitert zu demjenigen der Todtenklage des Kosmos um
den seiner irdischen Herrschaft entrissenen, in den
Himmel eingegangenen Helden. Etwas hiervon hat Bene-
detto Varchi, dessen Deutung Vasari sich aneignete, empfunden, als
er, freilich in einer ungeheueren höfischen Hyperbel, den „altissimo
concetto“ sich folgendermaassen verdeutlichte: nicht allein die Halb-
kugel, sondern die ganze Welt ward zum Sarkophag der Capitani.
Das sagen die Allegorieen, deren jedes Paar: Tag und Nacht, Mor-
gen und Abend wie die Erde, so den Sarkophag zwischen sich ein-
schliessen und bedecken.
Das Thema des Giulianodenkmales ward uns bekannt. Wie
aber verhält es sich mit dem des Lorenzo ? Auch hier Zeitalle-
gorieen, auch hier Flüsse, auch hier ein Feldherr, ein Heros. Es ist
also im Wesentlichen die gleiche Idee. Worin lagen die Ver-
schiedenheiten ? Die erste wichtigste in der Wesensunterscheidung
der beiden Fürsten, die schon in dem Entwurf des Doppelgrab-
males erscheint. Dort wurde sie äusserlich noch in der Weise ge-
bracht, dass neben dem Feldherrn ein Regent in häuslicher Tracht
dargestellt ward. Die Idee des Heroenthumes aber bedingte nun,
dass beide in kriegerischer Ausrüstung vorgeführt wurden und das
Abweichende im Geistigen gekennzeichnet ward. Dem Helden der
That Giuliano stellt er den geistigen Helden in Lorenzo gegenüber.
Und wunderbar werden, worauf öfters hingewiesen worden ist, wie dem
Handelnden Tag und Nacht, so dem Sinnenden die Dämmerungs-
gestalten des Morgens und des Abends angepasst.
Was gäben wir darum zu wissen, welche Figuren hier in den
Nischen neben Lorenzo den beiden Allegorieen von Himmel und
Erde neben Giuliano entsprechen sollten? Alle Dokumente schwei-
gen. Ist sich Michelangelo selbst darüber noch nicht klar gewesen?
Eine einzige Vermuthung böte sich dar, aber der Hinweis auf eine
blosse Möglichkeit, nicht mehr. Dachte der Meister daran, jene
beiden Gestalten von Jugend und Alter, oder sagen wir vorsichtiger:
den Jungen und den Alten, die er für das Doppelgrab geplant, an-
zubringen?
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„Und vergeblich werden die grossen Grabmäler auf die
hochgesinnten Könige: den Tiber und den Arno warten.“ Es
hindert nichts daran, Porrinos Aussage für wohlbegründet zu er-
achten. —
So hat der Gedanke: „Todtenklage der Zeit um den Heros“ sich
erweitert zu demjenigen der Todtenklage des Kosmos um
den seiner irdischen Herrschaft entrissenen, in den
Himmel eingegangenen Helden. Etwas hiervon hat Bene-
detto Varchi, dessen Deutung Vasari sich aneignete, empfunden, als
er, freilich in einer ungeheueren höfischen Hyperbel, den „altissimo
concetto“ sich folgendermaassen verdeutlichte: nicht allein die Halb-
kugel, sondern die ganze Welt ward zum Sarkophag der Capitani.
Das sagen die Allegorieen, deren jedes Paar: Tag und Nacht, Mor-
gen und Abend wie die Erde, so den Sarkophag zwischen sich ein-
schliessen und bedecken.
Das Thema des Giulianodenkmales ward uns bekannt. Wie
aber verhält es sich mit dem des Lorenzo ? Auch hier Zeitalle-
gorieen, auch hier Flüsse, auch hier ein Feldherr, ein Heros. Es ist
also im Wesentlichen die gleiche Idee. Worin lagen die Ver-
schiedenheiten ? Die erste wichtigste in der Wesensunterscheidung
der beiden Fürsten, die schon in dem Entwurf des Doppelgrab-
males erscheint. Dort wurde sie äusserlich noch in der Weise ge-
bracht, dass neben dem Feldherrn ein Regent in häuslicher Tracht
dargestellt ward. Die Idee des Heroenthumes aber bedingte nun,
dass beide in kriegerischer Ausrüstung vorgeführt wurden und das
Abweichende im Geistigen gekennzeichnet ward. Dem Helden der
That Giuliano stellt er den geistigen Helden in Lorenzo gegenüber.
Und wunderbar werden, worauf öfters hingewiesen worden ist, wie dem
Handelnden Tag und Nacht, so dem Sinnenden die Dämmerungs-
gestalten des Morgens und des Abends angepasst.
Was gäben wir darum zu wissen, welche Figuren hier in den
Nischen neben Lorenzo den beiden Allegorieen von Himmel und
Erde neben Giuliano entsprechen sollten? Alle Dokumente schwei-
gen. Ist sich Michelangelo selbst darüber noch nicht klar gewesen?
Eine einzige Vermuthung böte sich dar, aber der Hinweis auf eine
blosse Möglichkeit, nicht mehr. Dachte der Meister daran, jene
beiden Gestalten von Jugend und Alter, oder sagen wir vorsichtiger:
den Jungen und den Alten, die er für das Doppelgrab geplant, an-
zubringen?
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