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Der kreuztragende Christus. Noli me tangere.
Sebastiano hat die Gestalt Jesu, mit einigen Veränderungen,
noch in einem anderen Bilde: der „Beweinung“ in der Peters-
burger Gallerie, gebracht, das im Übrigen aber seine eigene Kom-
position verräth, es sei denn, dass jnan die knieende, die Hände
ringende Magdalena auf eine Skizze Michelangelos zurückführen
möchte.
Der k r c u z t r a g e n d e Christus in Madrid und in
Petersburg.
Giebt es auch kein Zeugniss für Michelangelos Betheiligung an
diesem monumentalen Werke, so lässt der Vergleich mit den an-
deren Christusdarstellungen des Meisters, die in Sebastianos Werken
fortleben, die Vermuthung einer solchen nicht nur als berechtigt,
sondern als im höchsten Grade annehmbar erscheinen. Der Bild-
gedanke der Venezianer, wie er in der Giorgioneschen Komposition
formulirt ward, hat hier eine so gewaltige Steigerung in das Er-
habene und Dramatische erfahren, dass dies nicht aus einem
blossen allgemeinen Nachempfinden Michelangeloschen Geistes, son-
dern nur aus der Benutzung einer Skizze des Meisters erklärt
werden kann.
So erweisen sich denn Sebastianos angeführte Werke als Zeug-
nisse unschätzbarer Art für die Kenntniss der Christusauffassung
Michelangelos in dem zweiten und dritten Jahrzehnt des XVI. Jahr-
hunderts. Konzeptionen allerhöchster Art sind uns in ihnen ent-
halten; wenn auch der vollen plastischen Kraft in des Venezianers
weicher machenden Übersetzung ermangelnd und in der Strenge
des Kopfideales gemildert, tragen die Gestalten doch unzweideutig
das auch im Leiden heroisch Tragische, in dem der Meister das
Wesen des Gottessohnes erfasste, zur Schau.
Dem Stile nach dürfte sich diesen Schöpfungen wohl der sorg-
fältig ausgeführte Karton des Noli me tangere angeschlossen
haben, den Michelangelo 1531 für Alfonso Davalos, Marchese di
Vasto, Truppenführer im kaiserlichen Heere, auf Vermittlung des
Erzbischofs von Capua und Gouverneurs von Florenz, Nicolaus von
Schomburg, angefertigt hat. Bei einem Besuche, den Davalos ihm
machte, rieth er, mit den Medicifiguren beschäftigt, Diesem, den
Karton von Pontormo in Farben ausführen zu lassen, was auch
geschah. Weder dieses Gemälde, noch ein zweites, welches der-
Der kreuztragende Christus. Noli me tangere.
Sebastiano hat die Gestalt Jesu, mit einigen Veränderungen,
noch in einem anderen Bilde: der „Beweinung“ in der Peters-
burger Gallerie, gebracht, das im Übrigen aber seine eigene Kom-
position verräth, es sei denn, dass jnan die knieende, die Hände
ringende Magdalena auf eine Skizze Michelangelos zurückführen
möchte.
Der k r c u z t r a g e n d e Christus in Madrid und in
Petersburg.
Giebt es auch kein Zeugniss für Michelangelos Betheiligung an
diesem monumentalen Werke, so lässt der Vergleich mit den an-
deren Christusdarstellungen des Meisters, die in Sebastianos Werken
fortleben, die Vermuthung einer solchen nicht nur als berechtigt,
sondern als im höchsten Grade annehmbar erscheinen. Der Bild-
gedanke der Venezianer, wie er in der Giorgioneschen Komposition
formulirt ward, hat hier eine so gewaltige Steigerung in das Er-
habene und Dramatische erfahren, dass dies nicht aus einem
blossen allgemeinen Nachempfinden Michelangeloschen Geistes, son-
dern nur aus der Benutzung einer Skizze des Meisters erklärt
werden kann.
So erweisen sich denn Sebastianos angeführte Werke als Zeug-
nisse unschätzbarer Art für die Kenntniss der Christusauffassung
Michelangelos in dem zweiten und dritten Jahrzehnt des XVI. Jahr-
hunderts. Konzeptionen allerhöchster Art sind uns in ihnen ent-
halten; wenn auch der vollen plastischen Kraft in des Venezianers
weicher machenden Übersetzung ermangelnd und in der Strenge
des Kopfideales gemildert, tragen die Gestalten doch unzweideutig
das auch im Leiden heroisch Tragische, in dem der Meister das
Wesen des Gottessohnes erfasste, zur Schau.
Dem Stile nach dürfte sich diesen Schöpfungen wohl der sorg-
fältig ausgeführte Karton des Noli me tangere angeschlossen
haben, den Michelangelo 1531 für Alfonso Davalos, Marchese di
Vasto, Truppenführer im kaiserlichen Heere, auf Vermittlung des
Erzbischofs von Capua und Gouverneurs von Florenz, Nicolaus von
Schomburg, angefertigt hat. Bei einem Besuche, den Davalos ihm
machte, rieth er, mit den Medicifiguren beschäftigt, Diesem, den
Karton von Pontormo in Farben ausführen zu lassen, was auch
geschah. Weder dieses Gemälde, noch ein zweites, welches der-