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Die Geburt der Maria. Die Heimsuchung.
in London (Verz. 367) nicht sicher auf die Komposition bezogen
werden können, bleiben wir über die Art, wie Michelangelo die
Erscheinung des Auferstandenen vor Magdalena dargestellt habe,
vorläufig im Ungewissen.
Von mehreren, in diese Zeit fallenden Entwürfen zu Passions-
darstellungen wird später in grösserem Zusammenhänge die Rede
sein, hier wendet sich die Aufmerksamkeit nur noch einigen
anderen von Sebastiano benutzten Skizzen zu, die sich mit der
Madonna beschäftigen.
Die Geburt der Maria in S. Maria del Popolo.
Eine der Studien, die, wie wir vernahmen, Sebastiano sich
erbat, ist heute nicht mehr nachzuweisen. Eine solche für die ganze
Komposition hat es wohl schwerlich gegeben: die Gruppe Gott-
vaters mit den Engeln macht den Eindruck einer freien Nach-
bildung jener in der Erschaffung Adams, die Nebenfiguren der
Handlung scheinen Sebastianos Erfindung zu sein. Nur in den
drei grossartigen Frauen, Anna mit dem Kinde und zwei Gevatte-
rinnen, welche in festem Dreiecksaufbau den Mittelpunkt bilden, ver-
räth sich auf das Eindringlichste Michelangelos Zeichnung. Welcher
andere Künstler hätte ein Bewegungsmotiv gleich dem der Frau mit
dem Kruge erfunden? Die Gruppe erscheint wie die Erweiterung
der Familienszenen in der Sixtina.
Die Heimsuchung im Louvre.
Auch bezüglich dieses Werkes muss die Annahme, dass
Michelangelo eingegriffen habe, mit Bestimmtheit ausgesprochen
werden.
Der Entwurf Sebastianos, der sich im Louvre befindet, bringt,
offenbar durch Raphaels Heimsuchung (Madrid) angeregt, Maria in
jugendlich mädchenhafter Erscheinung, wie sie in einem die Körper-
beschaffenheit verrathenden, anliegenden Gewände, das sie mit der
Linken vor dem Leibe fasst, zagenden Schrittes, etwas nach hinten
gewandt, der Elisabeth sich naht, die sie mit beiden Armen um-
fängt. Im Bilde ist sie eine kräftige, würdevoll, fest und feierlich
dastehende Frau, von gross drapirter Gewandung verhüllt; wie sie
mit der einen Hand das Kopftuch fasst, als wolle sie es enger um
sich ziehen, und mit der anderen Elisabeth berührt, scheint sie zart
ein intimes Umfangen abzuwehren: Elisabeth streckt den linken
Die Geburt der Maria. Die Heimsuchung.
in London (Verz. 367) nicht sicher auf die Komposition bezogen
werden können, bleiben wir über die Art, wie Michelangelo die
Erscheinung des Auferstandenen vor Magdalena dargestellt habe,
vorläufig im Ungewissen.
Von mehreren, in diese Zeit fallenden Entwürfen zu Passions-
darstellungen wird später in grösserem Zusammenhänge die Rede
sein, hier wendet sich die Aufmerksamkeit nur noch einigen
anderen von Sebastiano benutzten Skizzen zu, die sich mit der
Madonna beschäftigen.
Die Geburt der Maria in S. Maria del Popolo.
Eine der Studien, die, wie wir vernahmen, Sebastiano sich
erbat, ist heute nicht mehr nachzuweisen. Eine solche für die ganze
Komposition hat es wohl schwerlich gegeben: die Gruppe Gott-
vaters mit den Engeln macht den Eindruck einer freien Nach-
bildung jener in der Erschaffung Adams, die Nebenfiguren der
Handlung scheinen Sebastianos Erfindung zu sein. Nur in den
drei grossartigen Frauen, Anna mit dem Kinde und zwei Gevatte-
rinnen, welche in festem Dreiecksaufbau den Mittelpunkt bilden, ver-
räth sich auf das Eindringlichste Michelangelos Zeichnung. Welcher
andere Künstler hätte ein Bewegungsmotiv gleich dem der Frau mit
dem Kruge erfunden? Die Gruppe erscheint wie die Erweiterung
der Familienszenen in der Sixtina.
Die Heimsuchung im Louvre.
Auch bezüglich dieses Werkes muss die Annahme, dass
Michelangelo eingegriffen habe, mit Bestimmtheit ausgesprochen
werden.
Der Entwurf Sebastianos, der sich im Louvre befindet, bringt,
offenbar durch Raphaels Heimsuchung (Madrid) angeregt, Maria in
jugendlich mädchenhafter Erscheinung, wie sie in einem die Körper-
beschaffenheit verrathenden, anliegenden Gewände, das sie mit der
Linken vor dem Leibe fasst, zagenden Schrittes, etwas nach hinten
gewandt, der Elisabeth sich naht, die sie mit beiden Armen um-
fängt. Im Bilde ist sie eine kräftige, würdevoll, fest und feierlich
dastehende Frau, von gross drapirter Gewandung verhüllt; wie sie
mit der einen Hand das Kopftuch fasst, als wolle sie es enger um
sich ziehen, und mit der anderen Elisabeth berührt, scheint sie zart
ein intimes Umfangen abzuwehren: Elisabeth streckt den linken