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Thode, Henry; Thode, Henry [Editor]
Michelangelo und das Ende der Renaissance (Band 3,2): Der Künstler und seine Werke: Abth. 2 — Berlin: Grote, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.47069#0158
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Die heilige Familie, gen. il Silenzio.

Die heilige Familie, gen. il Silenzio, von Michel-
angelo.
Für die Originalzeichnung wurde eine Röthelstudie, die sich
einst in der Lawrence Gallery befand und heute verschollen ist,
gehalten. Nach ihr verfertigten im XVI. Jahrhundert Giulio Bonasone
(B. 66), Giov. Batt, de Cavalleriis, der Stecher mit dem Monogramm
Christi und Philipp de Soye Stiche, sowie mehrere Maler Bilder,
unter denen die Kopie von Marcello Venusti vom Jahre 1563 (im
Leipziger Museum) die bedeutendste ist. (Andere in Dresden, Gotha,
London, Oxford, Rom: Galleria Corsini, Schleissheim, Wien und
einige in englischem Privatbesitz.)
Maria, von sibyllinischer Erscheinung, auf dem Haupte einen
phantasievollen Kopfputz, hat sich mit übergeschlagenem Beine auf
einer Holzbank niedergelassen. In der gesenkten Rechten hält sie
ein Buch, mit der Linken — so war es offenbar gedacht — hebt
sie ein Tuch von dem Kind, das, auf der Bank ausgestreckt, den
Kopf auf ihrem Knie, die Ärmchen herabhängend, in tiefen Schlaf
versunken ist. Rechts neigt sich in einer an den Jeremias erinnernden
Stellung Joseph über die Banklehne, links beugt sich, ein Thierfell
über dem Kopf, der kleine Johannes herüber; er legt, Schweigen
gebietend, den Finger an den Mund. Alle Drei schauen auf das
Kind. In einem offenen Schränkchen der Bank steht ein Stunden-
glas. Auf den Bildern ist hinten ein baldachinförmiger Vorhang
angebracht.
Den Gehalt des Werkes zu deuten, sei dem Dichter des
Ardinghello überlassen, der seinen Eindruck über eine von ihm
in Düsseldorf gesehene Kopie in einem Briefe an Gleim 1776
schildert:
„Das schlafende Jesuskind ist das Schönste des Stückes, ein
Meisterstück an reizender Lage, vollkommener Zeichnung und wohl-
gegebenem Licht und Schatten; und die Einheit, die Seele
des Ganzen, worauf sich alles Andere bezieht und harmonirt,
wie auf Herrscher und Monarch. Aus seinem Gesichte dämmert
Majestät von Gottheit aus, und seinem Schläfchen sieht man’s
an, dass es nur eine kurze Rast ist vom Tragen der
W e 11 s ü n d e.“
„Es ist zum Erstaunen, wenn man dies beinahe Unmögliche
bloss in der Vorstellung, zwischen Vater, Mutter und Kind, durch
die kleinscheinende Erfindung einer nachlässigen und gefährlichen
 
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