Der Chor der Confessores.
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von Jerusalem, sehen wollen. Das ist undenkbar, weil ihm eine
viel zu grosse Rolle zuerkannt wird. Der von mir Augustinus
Genannte weist auf ihn hin, als sagte er: nur in solcher Nachfolge
Christi beruht alles Heil und alles Wissen. Da Andreas in der
Märtyrergruppe und der gute Schächer bei den Patriarchen an-
gebracht sind, erscheint dieser dritte Kreuzträger unerklärlich.
Nur zwei, durch das Attribut des Kreuzes ausgezeichnete Heilige
können in Betracht kommen. Der eine ist der heilige Sixtus.
Dieser wäre in der Sixtinischen Kapelle an so hervorragender Stelle
wohl am Platze, und die Vermuthung liesse sich durch einen mittel-
alterlichen Hymnus (Daniel, Thes. I, S. 102) rechtfertigen. In ihm
wird er genannt: „Xystus athleta Petri sequens martyrium“, woraus
geschlossen worden ist, dass er gekreuzigt wurde, und „praeceptor
apostolicus“. Aber so frei von der Tradition Michelangelo sich
auch halten mochte: die Umwandlung des greisen Papstes, den wir
aus Raphaels Madonna kennen, in den Jüngling wäre doch kaum
denkbar.
Der andere ist der heilige Franz von Assisi. Beachten
wir zunächst, dass wir unter den Confessores auch Mönche, unter
denen Benedict, Bernhard, Franz und Dominicus an erster Stelle
stehen, zu suchen genöthigt sind, vergessen wir zugleich nicht, dass
Michelangelo seinen Doctores keinerlei Zeichen kirchlichen Ranges,
keinerlei kirchliche Tracht giebt, sondern sie Alle, mögen sie
Päpste, Bischöfe oder Mönche sein, nackt darstellt, und fassen wir
scharf das Motiv ins Auge: der Heilige nimmt das Kreuz auf sich!
Ein solcher Nachfolger Christi war vor allen Anderen Franziskus.
Von dem Gekreuzigten hat er selbst die Wundenmaie empfangen.
Es ist der Kultus des Kreuzes, den er, wie kein Zweiter, gepredigt
und gefördert hat (vergleiche meinen „Franz von Assisi“ II. Aufl.,
S. 543), das Kreuz in der Hand wird er von der Kunst verherrlicht.
Ja, man schilderte ihn als Kreuzesträger : so folgt er auf dem Titel-
blatte der „Conformitates“ des Bartholomäus Pisanus dem kreuz-
tragenden, ihm vorausschreitenden Herrn (a. a. O. 554). Und weiter,
ein „athleta Christi“ war auch er; ein Feldherr himmlischer Heer-
schaaren, ein Fahnenträger Christi, wie er, mit dem Kreuz auf der
Standarte, in dem Triumphfresko zu Assisi verbildlicht ist, und der
neue Michael, dem der verlassene Himmelsthron Luzifers zu Theil
geworden war (a. a. O. S. 97, 538). Als Kämpfer im Krieg gegen
den Drachen, welcher
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von Jerusalem, sehen wollen. Das ist undenkbar, weil ihm eine
viel zu grosse Rolle zuerkannt wird. Der von mir Augustinus
Genannte weist auf ihn hin, als sagte er: nur in solcher Nachfolge
Christi beruht alles Heil und alles Wissen. Da Andreas in der
Märtyrergruppe und der gute Schächer bei den Patriarchen an-
gebracht sind, erscheint dieser dritte Kreuzträger unerklärlich.
Nur zwei, durch das Attribut des Kreuzes ausgezeichnete Heilige
können in Betracht kommen. Der eine ist der heilige Sixtus.
Dieser wäre in der Sixtinischen Kapelle an so hervorragender Stelle
wohl am Platze, und die Vermuthung liesse sich durch einen mittel-
alterlichen Hymnus (Daniel, Thes. I, S. 102) rechtfertigen. In ihm
wird er genannt: „Xystus athleta Petri sequens martyrium“, woraus
geschlossen worden ist, dass er gekreuzigt wurde, und „praeceptor
apostolicus“. Aber so frei von der Tradition Michelangelo sich
auch halten mochte: die Umwandlung des greisen Papstes, den wir
aus Raphaels Madonna kennen, in den Jüngling wäre doch kaum
denkbar.
Der andere ist der heilige Franz von Assisi. Beachten
wir zunächst, dass wir unter den Confessores auch Mönche, unter
denen Benedict, Bernhard, Franz und Dominicus an erster Stelle
stehen, zu suchen genöthigt sind, vergessen wir zugleich nicht, dass
Michelangelo seinen Doctores keinerlei Zeichen kirchlichen Ranges,
keinerlei kirchliche Tracht giebt, sondern sie Alle, mögen sie
Päpste, Bischöfe oder Mönche sein, nackt darstellt, und fassen wir
scharf das Motiv ins Auge: der Heilige nimmt das Kreuz auf sich!
Ein solcher Nachfolger Christi war vor allen Anderen Franziskus.
Von dem Gekreuzigten hat er selbst die Wundenmaie empfangen.
Es ist der Kultus des Kreuzes, den er, wie kein Zweiter, gepredigt
und gefördert hat (vergleiche meinen „Franz von Assisi“ II. Aufl.,
S. 543), das Kreuz in der Hand wird er von der Kunst verherrlicht.
Ja, man schilderte ihn als Kreuzesträger : so folgt er auf dem Titel-
blatte der „Conformitates“ des Bartholomäus Pisanus dem kreuz-
tragenden, ihm vorausschreitenden Herrn (a. a. O. 554). Und weiter,
ein „athleta Christi“ war auch er; ein Feldherr himmlischer Heer-
schaaren, ein Fahnenträger Christi, wie er, mit dem Kreuz auf der
Standarte, in dem Triumphfresko zu Assisi verbildlicht ist, und der
neue Michael, dem der verlassene Himmelsthron Luzifers zu Theil
geworden war (a. a. O. S. 97, 538). Als Kämpfer im Krieg gegen
den Drachen, welcher